Tickets Eventpass Lautentag I und II

Sa 25.09.

15.30h Kulturhaus Helferei

Liuto, Laute, Luth, Lute, Guitarra

Lautentag Teil I: Panorama

Italien und Frankreich, Deutschland, England, Spanien

Marina Belova
Joachim Held
Orí Harmelin
Doron Schleifer


Preisträgerin-Konzert
Marina Belova

Giovanni Girolamo Kapsperger (ca. 1580–1651)

  • Libro Primo d’intavolatura di lauto (Roma 1611)
    Toccata 5 – Gagliarda 12 – Corrente 12

Michelagnolo Galilei (1575–1631)

  • Primo Libro d’Intavolatura di Liuto (München 1620)
    Toccata – Corrente – Volta

Pietro Paolo Melli (1579–ca. 1623)

  • Intavolatura di liuto attiorbato libro secondo (Venezia 1616)
    Capricio Chromatico «Il Ciarlino»

Nicolas Vallet (ca. 1583–ca. 1642)

  • Secretum Musarum (Amsterdam 1615)
    Prélude – Allemande – Courante de Mars – Les Pantalons

Robert Ballard (1572/75–nach 1650)

  • Premier livre de tablature de luth (Paris 1611)
  • Diverses pièces mises sur le luth (Paris 1614)
    Entrée – Courante «La Princesse» – Branles de Village

Nicolas Vallet

  • Secretum Musarum (Amsterdam 1615 und 1616)
    Prelude – Malsimmes – La Courante Sarabande – Gaillarde du Comte Essex

Alessandro Piccinini (1566–ca. 1638)

  • Intavolatura di liuto libro secondo (Bologna 1639)
    Passacagli[a] alla vera spagnola

Joachim Held

Silvius Leopold Weiss (1687–1750)

  • Sonata Nr. 37 C-Dur
    Prélude – Allemande – Courante – Bourée – Sarabande – Menuets I & II – Presto

Johann Sebastian Bach (1685–1750)

  • Suite Nr. 3 g-Moll BWV 995
    Prélude, Tres viste – Allemande – Courante – Sarabande – Gavotte I & II – Gigue

Orí Harmelin & Doron Schleifer

John Dowland (1563–1626)

  • A Fancy (No. 5)*
  • Sorrow stay

John Dowland

  • If my complaints
  • A Fancy (No. 6)*
  • A shepherd in a shade

John Danyel (1564–1626)

  • Like as the lute

John Dowland

  • I saw my lady weepe

Nicholas Lanier (1588–1666)

  • Weepe no more
  • Qual musica gentil
  • Neither sighs, nor tears

John Dowland

  • In darkness let me dwell
  • La mia Barbara (A Pavan)*

Thomas Campion (1567–1620)

  • Never weather beaten sail

John Dowland

  • The King of Denmarke, his Galliard*
  • Can she excuse my wrongs

John Dowland

  • Come, heavy sleep

*instrumental

Marina Belova, Orí Harmelin und Doron Schleifer

Alonso Mudarra (ca. 1510–1580)

  • Si me llaman a mi

Anonym

  • Vuestros ojos

Luys de Narváez (ca. 1505–ca. 1550)

  • Guardame las vacas*

Alonso Mudarra

  • O gelosia d’amanti
  • La vita fugge

Luys de Narváez

  • Fantasia*

Codex Zuola

  • Entre dos álamos verdes
  • Yo sé que no ha de ganar

Gaspar Sanz (ca. 1640–ca. 1710)

  • Jacaras*

Étienne Moulinié

  • Por la verde orilla

José Marín (ca. 1619–1699)

  • No sé yo cómo es

Gaspar Sanz

  • Canarios*

José Marín

  • Tortolilla sino es por amor
  • No piense Menguilla ya

*instrumental

England: Texte von John Dowland (PDF)


Die Laute erreicht Europa über das von den Mauren besetzte Spanien im 13. Jahrhundert; der Name ist denn auch abgeleitet vom arabischen al ‘ud; typisch für das Instrument ist der abgeknickte Hals. Es verbreitet sich allmählich europaweit über alle Länder, wird sowohl von Amateuren wie Virtuosen gespielt, und im 15. Jahrhundert blüht Lautenmusik als erste selbständige, mehrstimmige Instrumentalmusik auf. Im frühen 16. Jahrhundert erscheinen die ersten Drucke bei Ottaviano dei Petrucci in Venedig. Als Notationssystem wird die Tabulatur verwendet, die nicht wie heute üblich die Höhe und Dauer eines Tones angibt, sondern – mit Buchstaben, Zahlen und weiteren Zeichen, manchmal auch mit Noten – die auszuführenden Griffe. Um Laute zu spielen, muss man also nicht unbedingt im heutigen Sinn Noten lesen können …
Die frühen Lauten haben vier Saiten und werden mit einem Plektrum gespielt; später werden eine fünfte und sechste Saite hinzugefügt (in der Barockzeit noch weitere bis 13), die nun mit den Fingern gespielt werden. Einige oder alle Saiten werden meist doppelt, sogenannt «doppelchörig», aufgezogen; somit ist eine Laute also mit fünf, sechs oder noch weiteren «Chören» bespannt.
Die Laute existiert in zahlreichen Formen, Grössen und Stimmungen. In Spanien wird die Vihuela gespielt, ein gitarreähnliches Instrument mit sechs Saiten in Lautenstimmung; daraus entwickelt sich die spanische Gitarre. Vor allem in Italien wird die Laute mit Bass- und Resonanzsaiten weiterentwickelt zur Theorbe und Chitarrone (Erzlaute). Um 1700 erlebt die Laute eine letzte Blüte und kommt dann durch die Verbreitung der Tasteninstrumente schnell aus der Mode.
Der «Lautentag» gibt – unsystematisch und unvollständig – einen Überblick über die europäische Lautenmusik aus Renaissance und Barock, beginnend mit Werken aus den ersten Drucken von Ottaviano dei Petrucci um 1500 und endend mit Suiten von Johann Sebastian Bach und Silvius Leopold Weiss um 1700. Dazwischen öffnet sich bunt schillernd die Welt der europäischen Lautenmusik aus Spanien, England, Frankreich, Deutschland und Italien.
Erweitert wird das Spektrum des «Lautentags» durch andere Programme des Festivals, darunter das Konzert von Marc Lewon und Paul Kieffer mit Lautenduos der Renaissance (18.09.), von Joel Frederiksen und dem Ensemble Phoenix Munich mit englischen (01.10.) oder von Marie-Claude Chappuis und Luca Pianca mit französischen Lautenliedern (02.10.).

Italien und Frankreich

Das Programm von Marina Belova skizziert den Übergang – in den Jahren um 1600 – der italienischen und französischen Lautenmusik vom polyphonen Stil der Renaissance zum eher melodisch-harmonischen Stil des Barocks. Die Biographien der Komponisten aus Italien und Frankreich zeigen oft auch ihre grenzüberschreitende Tätigkeit und, damit verbunden, die Verbreitung der italienischen Musik in fast ganz Europa.
Johannes Hieronymus oder Giovanni Girolamo Kapsperger (ca. 1580–1651), geboren in Venedig, war der Sohn eines österreichischen Adligen und (womöglich) einer italienischen Mutter. Schnell wurde er als Virtuose der Laute und der damals noch neuen Chitarrone oder Theorbe bekannt. Mit 24 Jahren veröffentlichte er sein Libro primo d‘intavolatura di chitarrone (1604); diesem Band folgte 1611 das Libro I d‘intavolatura di lauto. – Mehr zu Kapsperger siehe Konzert Hopkinson Smith, Seite 24 ff.
Michelagnolo (Michelangelo) Galilei (1575–1631) war der jüngere Bruder des Astronomen Galileo Galilei. Nach dem Tod des Vaters, des Sängers und Lautenisten Vincenzo Galilei, wuchs er im Haus Galileos auf. (Die spätere Beziehung der beiden Brüder ist durch einen Briefwechsel dokumentiert.) 1593 nahm er ein Engagement in Polen an, wo er bis 1607 blieb. Danach kam er in die Hofkapelle des Kurfürsten Maximilian I. in München. Hier veröffentlichte er 1620 sein Primo libro d‘intavolatura di liuto.
Pietro Melli (1579–ca. 1623) war Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle in Wien unter den Kaisern Matthias und Ferdinand II. Die Salärlisten dokumentieren, dass er ein hoch bezahlter – also geschätzter – Musiker war.
Alessandro Piccinini (1566–ca. 1638) stammte aus Bologna und wurde wie seine Brüder vom Vater unterrichtet. Er stand im Dienst des Hofs der d’Este in Ferrara wie auch des päpstlichen Legaten in Bologna. Erhalten sind vom ihm zwei Bände mit dem Titel Intavolatura di liuto et di chitarrone; sie enthalten Werke für eine bis drei Lauten. Besonders interessant ist das Vorwort des ersten Bandes von 1623; es bietet una inscrittione d’avertimenti, che insegna la maniera, & il modo di ben sonare con facilità i sudetti stromenti – eine ausführliche Anweisung für wohlklingendes und leichtes Spiel. Piccinini erhebt darin auch den Anspruch, die Erzlaute (Arciliuto) «erfunden» zu haben.
Robert Ballard (1572/75–nach 1650) war der Sohn seines gleichnamigen Vaters, der zusammen mit Adrian Le Roy in Paris das renommierte Verlagshaus «Le Roy & Ballard» führte. Der Sohn stand ab 1612 im Dienst der Regentin Maria de Medici; er wurde Lautenlehrer des jungen Louis XIII. und später Musicien ordinaire du roi am Hof.
Der Lautenist Nicolas Vallet (ca. 1583–ca. 1642) war ein Hugenotte aus Nordfrankreich. Um 1613 hatte er anscheinend Grund, nach Amsterdam zu emigrieren. Dort war er als Lautenlehrer tätig und führte eine Tanzschule. Sein Hauptwerk ist Secretum Musarum – Le Secret des Muses –, das 1615/16 in zwei Teilen erschien. «Altmodischerweise» enthält es Stücke und Spielanweisungen für die zehnchörige Renaissance-Laute.

Deutschland

Gegensätzliche Welten: Während Silvius Leopold Weiss fast nur Werke für Laute solo komponierte, scheint kaum eines von Johann Sebastian Bachs (überlieferten) Werken eine Originalkomposition für Laute zu sein. Eine Ausnahme ist möglicherweise BWV 999, Praelude in C mol. Pour La Lute.
Johann Sebastian Bachs (1685–1750) Hauptwerke für Laute sind die vier Suiten BWV 995–997 sowie 1006a. BWV 996 und 997 sind im Original wohl für das «Lautenwerk», eine Spezialform des Cembalos mit Darmsaiten, gedacht. Die Suite BWV 1006a dagegen ist eine Transkription der Violin-Partita Nr. 3, die Suite BWV 995 eine Transkription der Cello-Suite Nr. 5 – sie ist im Konzert zu hören. Diese Bearbeitung von Bach selbst existiert in einem Autograph, das die Widmung Pièces pour la Lute à Monsieur Schouster trägt; gemeint ist vermutlich der Leipziger Verleger Jacob Schuster.
Die Suite Nr. 5 enthält die üblichen vier Tanzsätze Allemande – Courante – Sarabande – Gigue, die um eine Gavotte erweitert sind. Sie weist auch einige ungewöhnliche Züge auf: Sie ist die einzige unter den sechs Suiten, für die das Cello umgestimmt werden muss, was einen besonderen Klangcharakter mit sich bringt. Weiter ist – als einziges Eröffnungsstück des Suiten-Zyklus – ihr Prélude zweiteilig: Nach dem ersten langsamen Teil folgt ein mit Très viste bezeichneter zweiter Teil in Form eines Fugato, das seinerseits wiederum das einzige des Zyklus ist. Besonders eindrückliche Sätze sind danach die majestätische Allemande und die melancholische Sarabande.
Für InterpretInnen, welche die zu Bachs Zeit gebräuchliche 13-chörige Laute verwenden wollen, bietet die Partitur von BWV 995 ein Problem: Sie enthält im Bass mehrmals ein G, das auf der damaligen Laute nicht vorkommt. Dazu werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen, so die Verwendung einer 14-chörigen Laute (mit tiefem G), eine Umstimmung der Laute oder die Transposition der Suite nach a-Moll.
Dass Bach mit den zeitgenössischen Lautenisten, ihren Spielweisen und -möglichkeiten bestens bekannt war, bezeugt eine Mitteilung von Johann Elias Bach an einen Bekannten 1739: Kürzlich habe man in Bachs Haus etwas extra feines von Music zu hören bekommen, indem sich mein Herr Vetter von Dresden [Wilhelm Friedemann], der über 4 Wochen hier zugegen gewesen, nebst den beyden berühmten Lautenisten, Herrn Weisen u. Herrn Kropffgans etliche mal bey uns haben hören lassen.
Silvius Leopold Weiss (1687–1750) gilt als der renommierteste Lautenist dieser Zeit und auch als der bestbezahlte. Tätig war er wie auch sein Schüler Johann Kropffgans hauptsächlich in Dresden. Geboren im damaligen Böhmen, von seinem Vater ausgebildet, in Breslau und Düsseldorf angestellt, zwischendurch sich längere Zeit in Rom aufhaltend, wird er 1718 als königlicher Kammerlautenist am Dresdener Hof Augusts des Starken angestellt. Hier bleibt Weiss bis zu seinem Lebensende. Johann Mattheson bezeichnet ihn 1727 als den vielleicht grössten Lautenisten in der Welt; und Weiss kann es sich leisten, eine Stellung am Wiener Hof – zum doppelten Jahresgehalt! – auszuschlagen. Allerdings hätte seine Karriere 1722 fast ein vorzeitiges Ende gefunden: Bei einem Streit versucht ein französischer Geiger gezielt, dem Lautenisten das erste Glied des Daumens abzubeissen …
Weiss lässt zu Lebzeiten von seiner Musik praktisch nichts drucken. Es ist unklar aus welchen Gründen – ob aus eigenem Willen, weil der Komponist seine Werke als Ausdruck seines persönlichen Könnens betrachtet, oder ob unter Zwang, weil der Kurfürst die Musik seines teuren Kammermusikers für sich allein haben will. So findet sich über die Hälfte von Weiss’ Musik heute (nur) in zwei grossen Sammlungen von Abschriften – die eine Sammlung in der British Library, die andere in der Sächsischen Staatsbibliothek. Angelegt haben sie zwei nach wie vor unbekannte Bewunderer des Komponisten. Leider wurde die Dresdener Sammlung im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt.
Diese beiden Sammlungen enthalten die Mehrzahl der rund 50 Lauten-Suiten (Weiss nennt sie Sonaten), die heute sein (erhaltenes) Werk von rund 600 Einzelstücken ausmachen; seine Musik für Instrumentalensembles hat nur fragmentarisch überlebt. Die Lauten-Suiten enthalten die üblichen vier barocken Stammsätze Allemande – Courante – Sarabande – Gigue. Sie werden mit weiteren Sätzen meist bis auf sechs oder sieben erweitert, ausserdem war nach französischer Praxis wohl ein Prélude zu improvisieren.

England

Die Regierungszeit von Elizabeth I. (1558–1603) ist das «Goldene Zeitalter», in dem das englische Lied aufblüht. William Byrd (1543–1623) veröffentlicht drei Sammlungen mit Liedern, die zwar mehrstimmig komponiert, jedoch durchaus mit Singstimme und Instrumentalbegleitung aufführbar sind. Ähnliches gilt für manche Madrigale von Thomas Morley (1557/58–1602); so arbeitet der Komponist seine Canzonets in einer zweiten Fassung für Singstimme und Laute um.
Der eigentliche Meister des elisabethanischen Lautenlieds ist John Dowland (1563–1626). Um das Jahr 1600 herum veröffentlicht er in schneller Folge vier Books of Songs. Die meisten dieser Lieder können zwar auch von einem Vokalensemble oder einem gemischt besetzten Ensemble aufgeführt werden; doch viele kommen in einer Interpretation mit Solostimme und Laute optimal zu ihrer Wirkung. Da die Textvorlagen oft Strophengedichte sind, ist dem Komponisten die musikalische Ausdeutung einzelner Worte oder Passagen zwar nicht möglich; doch versteht es Dowland hervorragend, die Grundstimmung des Gedichts in seiner Musik aufzugreifen und expressiv zu intensivieren. Einzelne Werke sprengen auch die Grenzen des damals Erwartbaren, so das geradezu schubertnah durchkomponierte Lied In darkness let me dwell.
Manche von Dowlands Liedern finden sich auch in seiner Musik für Laute solo, also in rein instrumentaler Version, wieder – dies neben zahlreichen Tanzstücken wie etwa den Galliards. Die Nähe von Vokal- und Instrumentalmusik zeigt jedoch, dass letztere nun auch eine ganz neue, expressive Sprache zu eigen haben kann. Dies gilt nicht zuletzt auch für Dowlands meist melancholisch gefärbte Pavans.

Zu Dowlands Biographie siehe auch Konzert von Hopkinson Smith.
Zum englischen Lied siehe auch Konzert von Ensemble Phoenix Munich (01.10.).

Spanien

In den 1530er Jahren erscheinen die ersten spanischen Publikationen mit Musik für die Vihuela, also für das typisch spanische Instrument mit dem Körper einer Gitarre und der Stimmung einer Laute: 1536 veröffentlicht Luis Milán seinen Band El Maestro; 1538 folgen die Seis Libros del Delfín de musica von Luys de Narváez (ca. 1505–ca. 1550).
Seine Biografie ist nur spärlich dokumentiert: Vermutlich in Granada geboren, steht er einige Zeit im Dienst von Francisco de los Cobos, einem Minister von Kaiser Karl V., dem die Seis Libros denn auch gewidmet sind. Sehr wahrscheinlich kommt Narváez mit Cobos 1529/30 nach Italien, wo Karl in Bologna zum Kaiser gekrönt wird. Ab 1548 ist Narváez Mitglied der Kapelle des Prinzen und späteren Königs Philipp II. Bereits nach 1549, als er im Gefolge Philipps nach Flandern reist, sind über sein Leben keine Dokumente mehr vorhanden – erstaunlicherweise, denn Narváez gilt als bester Vihuela-Spieler seiner Zeit, der vor allem auch über die polyphonen Kompositionen seiner Zeit hervorragend improvisiert.
Die Seys libros del Delphin enthalten die frühesten Diferencias (Variationen-Werke) der europäischen Musik, zum Teil über geistliche Themen (Choralmelodien wie Gloriosa Domina), zum Teil über weltliche (Villancicos wie Conde claros). Weiter folgen imitativ gearbeitete Fantasien, Lieder mit Vihuela-
Begleitung und Paraphrasen polyphoner Werke; eine davon, über Mille regretz von Josquin Desprez, wurde zum Lieblingslied Kaiser Karls V., dem Canción del Emperador.
Alonso Mudarra (ca. 1510–1580) wächst in Guadalajara auf und kommt als Musiker an den dortigen hochkultivierten Hof der Herzöge von Mendoza. Wahrscheinlich geht auch er – wie Narváez – im Gefolge des Herzogs 1529 nach Bologna, wo die Kaiserkrönung Karls V. stattfindet. Kurz danach erhält er die Stelle eines Kanonikers an der Kathedrale von Sevilla, wo er bis zu seinem Tod bleibt. In dieser Funktion leitet er – auch in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Francisco Guerrero – die vielfältigen musikalischen Aktivitäten der Kathedrale.
1546 veröffentlicht Mudarra seine Tres libros de música en cifra para vihuela, eine Sammlung mit Musik für die lautenähnliche Vihuela und (als Novum) für die Gitarre, dazu Vokalmusik verschiedener Genres wie Romances, Canciones, Villancicos und Sonetos. Ebenso vielfältig wie die Vokal- ist auch die Instrumentalmusik mit Fantasias, Variaciones (so auch über die Folia), Tientos, Pavanas und Galliardas. Weiter finden sich – ebenfalls wie bei Narváez – auch Intabulierungen (Arrangements für die Laute) von Abschnitten aus Messen von Josquin und Févin oder aus Motetten von Gombert und Willaert. Auffälligerweise vertont Mudarra auch italienische Texte (sonetos en italiano) – so wie sich umgekehrt gelegentlich Lieder mit spanischen Texten bei nichtspanischen Komponisten finden.
Während das Leben von Alonso Mudarra geradezu vorbildlich verläuft, hat dasjenige von José Marín (ca. 1619–1699) seine bedenklichen Seiten. Wie Mudarra ist er Priester und Beamter, doch wird er auch als Betrüger und Mörder verdächtigt und verurteilt.
In den 1640er Jahren ist Marín als Sänger sowohl des Madrider Klosters La Encarnación wie auch der königlichen Kapelle angestellt. Einige Jahre später wird er wegen Verleumdung, Beteiligung an einem Raubüberfall sowie wegen Mord angeklagt, im Lauf des Prozesses gefoltert und schliesslich zu zehn Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt. Allerdings kann man sich fragen, was an diesen Berichten Tatsache und was Skandal-Story ist, denn anscheinend stirbt Marín als königlicher Beamter und ehrbarer, wenn auch verarmter Bürger in Madrid. Seine Lieder gehören zum Genre der Tanzlieder; sie verbinden den Tonfall populärer Melodien mit den Rhythmen barocker spanischer Tänze wie Passacalles, Canarios, Españoletas, Jácaras oder Zarabandas.
So wie Luys de Narváez ein Pionier der sechssaitigen Renaissance-Vihuela ist, ist Gaspar Sanz (ca. 1640–ca. 1710) ein Pionier der fünfsaitigen spanischen Barock-Gitarre: 1674 veröffentlicht er seine Instrucción de música sobre la guitarra española, die er später zweimal ergänzt und 1697 in der vollständigen Fassung neu auflegt. Wie schon bei Narváez’ Seis Libros stammen die meisten Informationen zu seinem Leben aus dem Vorwort dazu.
Sanz, aus einer angesehenen Familie stammend, studiert Theologie und Philosophie an der Universität Salamanca – ein Musikwissenschaftler meint allerdings, in den dortigen Annalen finde sich kein solcher Name … Wie auch immer: Komposition, Orgel und Gitarre studiert Sanz erst in Neapel und Rom, wo er sich längere Zeit aufhält. Nach Spanien zurückgekehrt, veröffentlicht er 1697 seine Instrucción, die allen Lernwilligen das Spiel auf der spanischen Gitarre de sus primeros rudimentos hasta tañer con destreza (von ihren allerersten Anfängen bis zum geschickten Spiel) beizubringen verspricht. Sie lehrt sowohl Musiktheorie wie Spieltechniken und enthält etwa 90 Arrangements spanischer Tänze, die zum Teil möglicherweise aus der Volksmusik stammen.