Les Baricades mistérieuses – einer der rätselhaftesten Titel, den François Couperin sich einfallen liess, dient als Motto für Jean Rondeaus Rezital: In einem lockeren Spaziergang führt der Cembalist durch das Reich des Geheimnisvollen in der französischen Musik – wobei das Geheimnisvolle auch eher spielerisch erscheint oder suggestiv gemeint ist. Denn natürlich wissen wir alle, dass in Rameaus Stück Les trois mains letztlich doch nur zwei (und nicht drei) Hände spielen, und umgekehrt erfahren wir natürlich nie, worin denn nun das Geheimnis der Mistérieuse oder eben der Baricades mistérieuses liegt. Aber wir lassen uns diese schöne Geheimniskrämerei gern gefallen …
Jean-Philippe Rameau (1683–1764) gilt heute, neben Händel, als der grosse Opernkomponist der Barockzeit. Zuvor allerdings, und noch in unserer Zeit, galt er in Unkenntnis dieser erfindungsreich farbigen Werke als trockener Theoretiker, da er 1722 ein umfangreiches Theoriewerk, Traité de l’Harmonie, publiziert hatte. Die erste Oper schrieb Rameau jedoch erst im Alter von 50 Jahren. Am Anfang seiner Karriere, die in der Provinz begann, stand jedoch Musik für Tasteninstrumente: Wie sein Vater wurde Rameau Organist – mit Stellen in Clermont, Paris, Dijon, Lyon und wieder Clermont –, er veröffentlichte jedoch merkwürdigerweise keine Orgelmusik. Die erste Publikation 1706 kam der Cembalomusik zu, mit einem Livre de pièces de clavecin. Dieses enthält v.a. Stücke mit den traditionellen Tanzsätzen Allemande, Courante, Sarabande, Gigue etc.
Später, wie in den Nouvelles Suites de pièces de clavecin (1728), nimmt dann die Anzahl der Charakterstücke zu, vertreten hier etwa mit der Spiegelfechterei der drei Hände (Les trois mains), der Prahlerei des Aufschneiders (Fanfarinette) oder der Hochstimmung der Triumphierenden (La Triomphante), dies verbunden mit einer lustvollen instrumentalen Virtuosität, die an Händel und Scarlatti erinnert.
Rameau verlässt damit den Stil jener delikaten französischen Cembalomusik, den vor allem auch François Couperin (1668–1733) mit seiner langjährigen Konzentration auf dieses Genre schuf: L‘Art de toucher le clavecin heisst nicht zufällig eine seiner Publikationen. Couperins Cembalomusik erscheint im Lauf der Jahre von 1713 bis 1730 in vier umfangreichen Livres mit insgesamt 27 Suiten, die der Komponist Ordres nennt. Daneben gibt es von ihm fast ebenso viel Kammermusik, etwas Orgel- und Vokalmusik –, dies ganz in Übereinstimmung mit seiner Stellung als königlicher Organist, Cembalolehrer und Kammermusiker.
Auch Couperin komponiert natürlich in den Formen der barocken Tanzsätze, viel zahlreicher sind aber seine Charakterstücke. Esprit, Eleganz und Ernst gehen in ihnen wohldosiert Hand in Hand; und sie lassen die ganze Welt seiner Zeit an uns vorbeiziehen: Landschaften und Vogelstimmen, Damen und Herren der besseren Gesellschaft, Musen und Matrosen, Musettes und Chaconnes, Hirtenmusik und Schlaflieder, Trauriges und Heiteres … Was dem Komponisten offenbar besonderes Vergnügen bereitete, das sind die geheimnisvoll verklausulierten Titel mancher Stücke wie etwa Les Culbutes lxcxbxnxs. Die meisten dieser Anspielungen sind mittlerweile entschlüsselt, allen Deutungsversuchen widerstanden hat aber bisher Les Baricades mistérieuses …
Weniger bekannt als Rameau und Couperin ist heute Joseph Nicolas Pancrace Royer (1703–1755), Komponist mehrerer Opern und Leiter der Pariser Konzertreihe Concerts spirituels. In einer Evokation des mysteriösen Nomadenvolks der Skythen in der Region des Schwarzen Meers komponierte er mit seinem virtuosen Marche des Scythes so etwas wie das Allegro barbaro der Barockmusik.