Sa 22.03.

19.30h St. Anna-Kapelle
St. Annagasse 11

Il Vespro dei Laudesi

Le Miroir de Musique


Laudato sia Dio

Johannes de Quadris

  • Cum autem venissem ad locum

M: Anonym, T: Leonardo Giustinian

  • Piangeti christiani

Anonym Vidi impium superexaltatum
Kapstadt Ms.

Anonym, Chansonnier Pixérécourt

  • Sopr’ogni stella bella

M: Anonym, T: Feo Belcari

  • Laudato sia Dio

***
Anonym, Somaschi Ms.

  • Se gratia per gratia

Johannes de Lymburgia

  • Recordare frater pie

***

Baldasar

  • O Jesù dolce o signor benigno

Innocentius Dammonis

  • Peccatori, perchè seti

***

Johannes Ghiselin

  • Favus distillans

Anonym, Kapstadt Ms.

  • Ave Maria gratia plena

Anonym, Udine Ms.

  • O tempo giocundissimo

***
Anonym, Kapstadt Ms.

  • Nam edunt de micis

Anonym, Ms. Perugia 431

  • Con gran fervor, Gesù, ti vo cercando

***

Anonym, Kapstadt Ms.

  • Convertime o signore

Johannes de Lymburgia

  • Salve virgo regia

Anonym, Petrucci, Laude II

  • Quum autem venissem

Le Miroir de Musique
Tessa Roos Mezzosopran
Ivana Ivanovic Mezzosopran
Ivo Haun Tenor
Matthieu Romanens Tenor
Cyril Escoffier Tenor
Claire Piganiol Gothische Harfe, Organetto
Elizabeth Rumsey Viola d’Arco, Renaissance-Gambe
Baptiste Romain Fidel, Lira da Braccio, Dudelsack & Leitung

lemiroirdemusique.com

Laudato sia Dio
Il Vespro dei laudesi

Venezianische Volksfrömmigkeit in den Gesängen der Laudesi, 1430–1510.
Das Konzertprogramm evoziert die musikalische Welt der Laudesi-Bruderschaften, wie sie um 1500 in Venedig bekannt war. Die Laude (italienisch lauda – laude: Lobgesang) sind eine poetisch-musikalische Gattung der Volksfrömmigkeit. Sie ist besonders reich an beschreibenden und kontemplativen Stücken, die sich auf die Jungfrau Maria und das Leiden Christi beziehen. Es sind zwar viele Laude in lateinischer Sprache überliefert, doch herrscht die italienische Sprache vor. Dies entsprach dem Bestreben der Franziskanermönche, die diese kulturelle Bewegung initiierten, um das Volk direkt anzusprechen. Bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurden in der Toskana und in Umbrien Vespergottesdienste und Abendandachten mit diesen Lobgesängen eine feste Institution. Im 15. Jahrhundert blühte in Italien die franko-flämische Musik auf, und mit ihr erlebte auch die Lauda um 1500 einen enormen Aufschwung; dies insbesondere in Venedig, wo der Drucker Ottaviano Petrucci 1508 zwei grosse Sammlungen dieser Andachtsstücke veröffentlichte. – Im Konzert ergänzen wir dieses Repertoire mit Stücken aus anderen Handschriften, wie derjenigen von Kapstadt oder Udine, sowie mit einigen italienischen Unica aus früherer Zeit.
Der Erfolg der venezianischen Lauda verdankt sich den einfachen homophonen Texturen der Musik und der sorgfältigen Präsentation und Deklamation des Textes. Damit steht sie in starkem Kontrast zur franko-flämischen Musik mit ihren polyphonen Texturen und einer oft geringen Textverständlichkeit. Neben diesen italienischen Kompositionen finden sich aber auch bekannte Stücke aus dem französischen Repertoire, meist höfische Lieder, die die Musiker mit neuen Andachtstexten versahen. Diese Kontrafacta haben wir anhand der Angaben in den literarischen Quellen (cantasi come) rekonstruiert. Nur schon ein Blick auf den alten (französischen) und den neuen (italienischen) Text von Con gran fervor, Gesù zeigt, dass dabei die ursprünglichen französischen Formen und metrischen Strukturen nicht unbedingt beibehalten wurden.
J‘ai pris amours a ma devise
Pour conquérir joyeuseté
Eureux seray en cest esté
Se puis venir a mon entreprise.
Con gran fervor, Gesù, ti vo cercando
Perchè m‘accenda il core
Di quel divino amore
Che mi fa tanto andar Gesù chiamando:
Amor, dolcezze e cibo all‘alma mia.
Durch den Einfluss der franko-flämischen Komponisten – Komponisten aus dem heutigen Belgien und Nordfrankreich, die oft längere Zeit in Italien arbeiteten – veränderte sich jedoch die Lauda, hin zu einem mehr polyphonen Stil. Zu den frühesten Beispielen zählen die beiden Stücke von Johannes de Lymburgia: Recordare frater pie und Salve virgo regia. Diese Werke zeugen von der Begegnung zwischen dem aus Lüttich stammenden Komponisten und dem venezianischen Humanistenkreis um Bischof Pietro Emiliani. Salve virgo regia ist ein Lobpreis auf die Jungfrau Maria, der die Weihnachtsgeschichte erzählt. Seine regelmässige Struktur (Strophe und Refrain) sowie die homophone und fast syllabische Gestaltung (eine Note pro Silbe) sind typisch für diese Art von Stücken, die zu festlichen Anlässen gesungen werden konnten.
Im Venedig der Renaissance wurden die Laude meist von den sechs religiösen Bruderschaften, den sogenannten Scuole Grandi, gesungen und gespielt. Jede dieser Organisationen hatte etwa 500 Mitglieder, Laien aus der wohlhabenden Mittelschicht, die sich regelmässig zum gemeinsamen Gebet und zur Organisation von Wohltätigkeitsaktivitäten trafen. Ab den 1440er Jahren hatten diese Institutionen das Recht, Berufsmusiker fest anzustellen: die Cantadori di laude oder Cantadori nuovi – im Gegensatz zu den Cantadori vecchi, die bei Begräbniszeremonien sangen. Saiteninstrumente (Laute, Harfe, Lira da braccio und andere Bogeninstrumente) wurden bei den etwa 30 jährlichen Anlässen eingesetzt, insbesondere bei Prozessionen und offiziellen Besuchen zwischen den Scuole.
Um diese Lobgesänge wiederzubeleben, haben wir uns in die Gedankenwelt eines Musikers des 15. Jahrhunderts versetzt; wir versuchen, den Ausdruck andächtiger Inbrunst mit den Anforderungen der Gesangskultur zu kombinieren, wie sie in dieser Zeit vielfach beschrieben wurde.
Baptiste Romain

 

Johannes de Quadris wurde vor 1410 geboren und verstarb nach 1456. Er stammte aus Mittelitalien und war hauptsächlich als Kapellmeister an San Marco in Venedig tätig.
Leonardo Giustinian (1388–1446) war ein italienischer Dichter, Politiker und Humanist, bekannt für seine Lauda-Texte und Kanzonen. Er spielte eine bedeutende Rolle in der politischen und kulturellen Landschaft Venedigs.
Feo Belcari (1410–1484): italienischer Dichter und Dramatiker, bekannt für seine religiösen Schauspiele und geistlichen Lieder. Er ist besonders mit dem kulturellen Florentiner Leben des 15. Jahrhunderts verbunden.
Johannes de Lymburgia: geboren vor 1390, verstorben nach 1436, wirkte hauptsächlich in Lüttich, Padua und Vicenza, wo er möglicherweise die Handschrift Bologna Q15 anfertigte.
Johannes Ghiselin (fl. 1491–1507) stammte aus Bergen-op-Zoom. Er war ein bedeutender Kollege von Josquin Desprez in Ferrara und erlangte wie dieser Berühmtheit durch seine polyphonen Messen, die bereits 1503 von Petrucci gedruckt wurden.
Ottaviano Petrucci (1466–1539) war der erste bedeutende Drucker polyphoner Musik. 1498 erhielt Petrucci für 20 Jahre ein venezianisches Druckprivileg. In seinem Antrag gab er an, dass er etwas entdeckt habe, wonach viele gesucht hätten, nämlich eine Möglichkeit, Canto figurado zu veröffentlichen. Er beantragte für sich das exklusive Recht, sowohl Canto figurado als auch Intaboladure d’organo et de liuto zu drucken. Damit hatte er grossen Erfolg, was die weite Verbreitung seiner Drucke, ihre Auflagen sowie die zahlreichen Kopien in Manuskripten bezeugen.
Petrucci druckte 1508 zwei umfangreiche Sammlungen von Laude. Die erste ist den Werken von Innocentius Dammonis gewidmet, einem venezianischen Priester, von dem man nichts anderes kennt als diese oft homophonen Stücke, die an eine Prozessionsmusik erinnern. Das zweite Buch der Laude ist eine Sammlung von Stücken bekannter italienischer und franko-flämischer Komponisten der Zeit; der Erfolg dieser Gattung weckte anscheinend das Interesse von namhaften Komponisten wie Marchetto Cara, Bartolomeo Tromboncino und sogar Josquin Desprez.