So 17.03.

17.30h Kirche St. Peter

Tafelmusik mit Apéro

Georg Philipp Telemann: Musique de Table
2ième Production

Zürcher Barockorchester

Monika Baer & Renate Steinmann Leitung und Violine
Patricia Do Violine
Susanna Hefti, Stella Mahrenholz Viola
Hristo Kuzmanov Violoncello
Markus Bernhard Violone
David Blunden Cembalo
Rebekka Brunner, Héctor Rodriguez Traversflöte
Katharina Arfken Oboe
Susann Landert Fagott
Henry Moderlak Trompete

zuercherbarockorchester.ch

Zweiteiliges Konzert mit Apéro – Dauer ca. 2 Std. 30 Min.

Das Zürcher Barockorchester führt bei diesem Festival seine integrale Aufführung der Musique de Table von Georg Philipp Telemann (1681–1767) weiter. Die Konzerte finden während den Frühlingsfestivals von 2023 bis 2025 statt. Angeboten wird auch ein Barock-Workshop: Samstag, 24. Februar 2024 10.00–17.00h, Kulturhaus Helferei. Infos und Anmeldung


Georg Philipp Telemann (1681–1767)

  • Ouverture & Suite D-Dur, TWV 55:D1
    für Oboe, Trompete, Streichinstrumente und Continuo
    Ouverture: Lentement – Vite – Lentement – (Vite) – Lentement • Air: Tempo giusto • Air: Vivace • Air: Presto • Air: Allegro
  • Quatuor d-Moll, TWV 43:d1
    für zwei Flöten, Blockflöte oder Fagott, Violoncello und Continuo
    Andante • Vivace • Largo • Allegro

— Pause —
.

  • Concerto F-Dur, TWV 53:F1
    für drei Violinen, Streichinstrumente und Continuo
    Allegro • Largo • Vivace
  • Trio e-Moll, TWV 42:e2
    für Flöte, Oboe und Continuo
    Affettuoso • Allegro • Dolce • Vivace
  • Solo: Sonata A-Dur, TWV 41:A4
    für Violine und Continuo
    Andante • Vivace • Cantabile • Allegro – Adagio – Allegro – Adagio
  • Conclusion: Sinfonia D-Dur, TWV 50:D9
    für Oboe, Trompete, Streichinstrumente und Continuo
    Allegro – Adagio – (Allegro)

Vereinigte Geschmäcker

Lieben Sie Paris? Ja, zählt die Reise dorthin womöglich zu den glücklichsten Momenten Ihres Lebens? Dann haben Sie etwas gemeinsam mit unserem Komponisten: Georg Philipp Telemann. Mit grösster Zufriedenheit blickte er auf seinen Aufenthalt in Paris zurück. Die Kollegen und Virtuosen, die an etlichen meiner gedruckten Wercke Geschmack gefunden hatten, bedrängten ihn geradezu, bis er sich endlich auf die Reise machte. Allzu lang wollte er zunächst nicht bleiben, als er am St. Michaelistag 1737 in der französischen Hauptstadt eintraf, aber dann entwickelte sich alles so günstig, dass er bis Juli 1738 blieb. Vielleicht war er einfach auch froh, fort zu sein: Gerade hatte er sich von seiner Frau getrennt, und hier entdeckte er finanzielle Möglichkeiten, die von ihr angehäuften Schulden allmählich zu tilgen. Aber noch mehr dürfte er den Austausch und die Wertschätzung genossen haben, die er, der frankophile Sachse, an der Seine erhielt. Mit Forqueray, Mondonville, Boismortier, Campra und Clérambault pflegte er freundschaftlichen Kontakt. Mehrere Stücke entstanden, eine Motette französischen Stils aus seiner Feder wurde aufgeführt, und der König gewährte dem Monsieur Tellement ein zwanzigjähriges Generalprivilegio zur Veröffentlichung neuer Quatuors – dies, um Raubdrucken zuvorzukommen.
Mehr als in der Heimat (bis heute) er-kannte man in Paris offenbar damals, was für ein origineller Kopf hinter dem vermeintlichen Vielschreiber steckt. Er war vielseitig nicht aus Mode, sondern aus Reflexion, der vielleicht weltgewandteste und aufgeklärteste Komponist seinerzeit in deutschen Landen. Das musste dort gefallen. Vorausgeeilt war ihm der Ruhm seiner gedruckten Werke, etwa seiner Musique de Table, partagée en Trois Productions, erschienen 1733. Unter den 206 Pränumeranden, die acht Reichstaler zur Subskription bezahlten, gehörten Adlige und Bürgerliche aus ganz Europa, Amateure, aber auch Berufsmusiker, so etwa die Konkurrenz aus Dresden, Johann Georg Pisendel und Johann Joachim Quantz, auch ein gewisser Mr. Hendel, Docteur en musique, Londres sowie – mit gleich einem Dutzend Bestellungen – Michel Blavet, Flötist in Paris und ab 1738 Mitglied der königlichen Kapelle von Ludwig XV. in Versailles.
Die Tafelmusik ist keine «Musique d’ameublement» zum Mit- und Weghören, sondern ehrgeizig vom Anspruch her. Diß Werk wird hoffentlich mir einst zum Ruhm gedeien, / Du aber wirst den Wehrt zu keiner Zeit bereuen … schrieb der gern reimende Hamburger Musikdirektor an einen Freund in Riga. So bietet diese Werkgruppe weit mehr als gehobene Unterhaltungsmusik, ja man kommt nicht umhin, in der Tafelmusik eine Auslegeordnung zu entdecken. Ähnlich wie Bachs Brandenburgische Konzerte präsentiert sie kompendiumartig eine Vielfalt unterschiedlicher musikalischer Ansätze. Jede der drei Productions enthält eine Ouverture (mitsamt Suite) zu Beginn und eine einsätzige Conclusion zum Schluss, dazwischen ein Quartett, ein Concerto, ein Trio sowie ein Solo (Solosonate für Flöte, Violine bzw. Oboe). Verschiedene Formen stehen nebeneinander. Die Besetzung – les instrumens se diversifient par tout – variiert zwischen Kammer- und Orchestermusik.
Telemanns Ehrgeiz bestand aber auch darin, die Stile Italiens und Frankreichs zu verbinden – etwas, das die Pariser Kollegen brennend interessierte. Couperins Les Goûts Réunis etwa von 1724 sprechen davon. So stehen in der Tafelmusik italienische Stilelemente neben französischen, z.B. Concerto neben Ouverture. Gelegentlich verschmelzen sie zu einer neuen «fusion», wie man heute sagen würde. Das wird unterschiedlich gehandhabt. Ist die erste Production noch deutlich französischer geprägt, so geben in der zweiten etwa die drei Geigen im Concerto einen italiänischen Drive vor. Überhaupt dominieren die Violinen ein wenig gegenüber den Flöten. Allerdings bringt Telemann alles in eine wunderbare Balance – einer seiner Vorzüge. Im Gleichgewicht erscheinen sogar die ungleichen Soloinstrumente Oboe und Trompete in der Ouverture.
Telemann besass die ungemeine Leichtigkeit, Verschiedenes zu verbinden. Alles ist mit Geschick und Goût ausgestaltet, stets belebt, farbig, elegant und erfindungsreich, nie blosse Routine – eine wahre Wundertüte an Einfällen öffnet sich da –, und ja, vielleicht lässt sich das tatsächlich mit einer reich gedeckten Tafel vergleichen.
Thomas Meyer

 

Musique de Table 2ième Production

Die zweite Produktion der Tafelmusik folgt genau dem gleichen Aufbau wie schon die erste; verschieden ist jedoch die Besetzung, vor allem bei den Blasinstrumenten: Oboe, Trompete und Blockflöte prägen das Klangbild; dies neben den Traversflöten, die schon in der ersten Produktion mitwirkten.
Ouverture & Suite: Gleich in der Ouvertüre prägen Trompete und Oboe das Klangbild. Diese ist nicht wie zu erwarten drei-, sondern mit dem Wechsel von Lentement und Vite fünfteilig. Die anschliessende Suite besteht nicht aus einer Folge von Tanzsätzen, sondern ebenfalls ungewöhnlicherweise aus vier Airs. Diese lassen dann die Tanzsätze zwar anklingen, entpuppen sich aber auch als Mini-Konzertsätze.
Quatuor: Das Quartett sei der Probierstein eines ächten Contrapunctisten – so J. J. Quantz –, da sich hier zeige, ob ein Komponist einen reinen vierstimmigen Satz für drei konzertierende und ein Continuo-Instrument schreiben könne. Es war ebenfalls Quantz, der den hellen, schneidenden, dicken, runden und männlichen Ton der damals neuen Traversflöte gegenüber dem sanften und weichen Ton der älteren Flauto dolce (Blockflöte) nicht nur hervorhob, sondern auch favorisierte. Anders Telemann: Er gestaltet die Stimmen der drei Flöten gleichberechtigt, sodass weder der ältere noch der neuere Typ den Vorzug hat. – Im Konzert ist die alternative Fassung mit Fagott anstelle Blockflöte zu hören.
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Concerto: Das Genre des Konzerts steht jeweils im Zentrum einer Production, und das brillante Konzert für drei Violine der zweiten folgt mit der dreiteiligen Satzfolge schnell – langsam – schnell dem Typus des damals modernen italienischen Concertos.
Trio: Möglicherweise hatte der Musikgelehrte Johann Mattheson dieses Trio der zweiten Produktion vor Augen, als er Telemann als Komponisten des ächten frantzösischen Trio pries. Vorbildlich sei Telemann, weil seine Trios, wenn gleich etwas welsches mit eingemischet wird, doch sehr natürlich und altfranzösisch fliessen; (welsch meint hier italienisch). Im übrigen war Telemann auf seine zahlreichen Trios besonders stolz, vor allem auf die gleichberechtigte Behandlung der beiden Melodieinstrumente, sodass die zwote Partie die erste zu seyn scheint. Gleich zwei Satztitel – Affetuoso und Dolce – verweisen auf den neuen empfindsamen Stil.
Solo: Die Violinsonate folgt mit der zweifachen Satzfolge langsam – schnell dem Typ der Kirchensonate; besonders auffällig der rhetorisch-sprechende Charakter des 3. Satzes Cantabile.
Conclusion: Nach der Kleinstbesetzung der Solosonate folgt jeweils mit der Conclusion dramatisch wieder die grosse Besetzung (und auch die gleiche Tonart D-Dur) von Ouvertüre & Suite. Mit der grossen Besetzung kontrastiert die Kürze des Satzes, da – ebenfalls im Sinn der barocken Rhetorik – in dieser ja bekanntlich auch die Würze liegt.