20.00h Kulturhaus Helferei, Kirchgasse 13
Leonardos
Musikgeheimnisse
Doulce Mémoire
Clara CoutoulyMatthieu Le Levreur
Miguel Henry
Baptiste Romain or Nicolas Sansarlat
Bérengère Sardin
Denis Raisin Dadre
doulcememoire.com
Von Samstag, 21.09. bis Sonntag, 29.09. findet in Zürich die Rad-WM statt. Deshalb ist das Kulturhaus Helferei zwar immer, aber etwas eingeschränkt zugänglich. Zwischen Central und Bellevue fahren keine Trams, ebenfalls nicht zwischen Central und Heimplatz (Schauspielhaus). Zu Fuss sind die Konzertorte immer erreichbar. Rechnen Sie aber mit etwas mehr zeitlichem Aufwand als normal.
Wir freuen uns, Sie zu sehen!
Verkündigung
Frater Petrus
- Ave Maria, gratia plena
Marchetto Cara
- Ave Maria, gratia plena
Anonym
- Vergine Immaculata instrumental
Marchetto Cara
- Ave Maria, gratia plena
Taufe Christi
Anonym
- La Danse de Clèves
Conrad Paumann
- Mit ganzem Willen Basse danse
Madonna in der Felsengrotte
Domenico da Piacenza
- Ballo Bel fiore
Francesco Spinacino
- Recercare instrumental
Anonym
- Poi che t’hebbi nel core laude
Anonym
- Fortuna desperata instrumental
Johannes de Pinarol
- Poi che t’hebbi nel core
Heinrich Isaac
- Fortuna desperata / Sancte Petre
Bildnis eines Musikers
Josquin Desprez
- Mille regretz
Tilman Susato
- Les miens aussi, responce à Mille regretz
Isabella d’Este
Bartolomeo Tromboncino
- Non val l’acqua
Michael Pesenti
- L’acque vale al mio gran foco
Marchetto Cara
- Gli pur giunto el giorno
Anna Selbdritt
Jean l’Héritier
- Ave Mater, Matris Dei
Ginevra de’ Benci
Hayne van Ghizeghem
- De tous bien playne
Johannes der Täufer
Francesco da Milano
- La Spagna instrumental
Mona Lisa
Improvisation
- Fr. Petrarca: Sonett VIII Vergognando talor
Anonym
- Per Sonetti Frottola
Anonym
- Lucrezia pulchra (Mona Lisa pulchra)
La Belle Ferronnière
Gugliemo Ebreo
- Basse danse Venus Laute
Anonym
- Patienza ognum mi dice
Gugliemo Ebreo
- Basse danse Venus Lyra
Anonym
- O mischini
Anonym
- Ballo Petit rien
Francesco Patavino
- Donne, venete al ballo
Ansano Senese
- Noi siamo galeotti
Marchetto Cara
- Tante volte si si si
Als Leonardo da Vinci (1452–1519) dem Herzog von Mailand, Ludovico Sforza, um 1482 seine Dienste antrug, hob er vor allem seine Fähigkeiten als Militäringenieur hervor: transportierbare Brücken und Belagerungsmaschinen, Wassergräben und Tunnel, Panzerwagen, Mörser, Katapulte und andere Apparate von wunderbarer Wirkung – alles kann er auf Wunsch liefern. Und ausserdem: In der Malerei kann ich gleichermassen machen, was sich nur denken lässt, so gut wie jeder andere, wer es auch sei.
Dagegen betont Leonardos Biograph Giorgio Vasari, Leonardo sei wegen ganz anderen Fähigkeiten an den Hof gerufen worden, nämlich – als Musiker! Und für einen Zeitgenossen, Paolo Giovio, wurde Leonardo ebenfalls aus diesem Grund besonders geschätzt: Zur Lyra sang er sehr schön, was allen Fürsten, gleich welchen Alters, ausserordentlich gefiel. Und natürlich wäre Leonardo nicht Leonardo, wenn er für den Fürsten nicht gleich eine ganz besondere Lyra gebaut hätte – in Form eines silbernen Pferdekopfs …
***
Leonardo der Musiker – er erscheint heute in manchen Biographien nur gerade am Rand. Für Denis Raisin Dadre, den Leiter des Ensembles Doulce Mémoire, wurden Leonardo und seine Musik jedoch zum Thema eines ganzen Konzertprogramms. Dazu sein Kommentar*:
Ausgangspunkt dieses Projekts war ein Hinweis, den der Kunstkritiker Marcel Brion zu Leonardos Bild Madonna in der Felsengrotte gab: Die musizierenden Engel, die die Jungfrau Maria in diesem Bild umgeben sollten, sind auf die Seitenflügel des Gemäldes verbannt. Leonardo weiss, dass die geheime Musik, die dieses Gemälde erfüllt, nur dann wahrgenommen wird, wenn er die Instrumente aus dem Bild entfernt.
Leonardo liebte und spielte Musik. Zu seiner Zeit war er als Spieler der Lyra da braccio bekannt, eines siebensaitigen Streichinstruments, das auch von Dichtern wie Marsilio Ficino oder Angelo Poliziano gespielt wurde. Und auch zum Malen liess Leonardo sich anscheinend Musik vorspielen, wie er in seinem Trattato (1584) beschreibt: Der Maler sitzt bequem vor seinem Werk […], oft lässt er sich von Musik oder dem Vortrag schöner, verschiedenartiger Dichtungen begleiten.
Die Suche nach den Musikstücken, die Leonardo spielte, ist jedoch vergeblich, denn die Lyra da braccio wurde zum Improvisieren verwendet, vor allem zum Vortrag von Dichtungen mit Musikbegleitung, und so sind keine schriftlichen Quellen erhalten. Ich musste also nach Musikstücken suchen, die mit den von mir ausgewählten Gemälden in Einklang standen. Dabei wollte ich jeden Anachronismus vermeiden, denn die Musik von Leonardos Jugendzeit um 1470 war keineswegs die gleiche wie die aus der Zeit seines Lebensabends in Frankreich nach 1516.
Darüber hinaus zeigte sich noch ein weiteres Problem: Unter Leonardos Zeitgenossen gibt es keinen bedeutenden italienischen Komponisten; zwischen der Musik des Trecento und den ersten Madrigalen klafft eine Lücke. Die grossen mehrstimmigen Werke dieser Zeit stammen von den franko-flämischen Komponisten aus dem Norden, den Oltramontani, die von allen grossen Höfen und Kathedralen Italiens umworben wurden. Von ihnen erscheinen im Programm u.a. Heinrich Isaac, Josquin Desprez, Jean l’Héritier und Hayne van Ghizeghem. Und es könnte gut sein, dass der grösste Maler dieser Epoche dem grössten Komponisten dieser Epoche, Josquin Desprez, persönlich begegnete: Josquin stand damals im Dienst des Kardinals Ascanio Sforza und hielt sich 1487 nachweislich in Mailand am Hof der Sforzas auf.
Das widerspiegeln auch die ersten Musikdrucke, die ab 1501 von Ottaviano Petrucci in Venedig veröffentlicht werden: Sie enthalten durchwegs polyphone Werke der franko-flämischen Komponisten. Erst 1504 erschien ein Band mit Frottole, also mit italienischer Musik. Die Frottola ist eine etwas schlichtere Vorform des Madrigals. Sie wurde vor allem auch am Hof von Mantua gepflegt, wo Marchetto Cara im Dienst der Herzogin Isabelle d’Este stand. Ein weiteres italienisches Genre, das von Petrucci veröffentlicht wurde, war die Lauda, ein einfaches geistliches Lied, das vor allem auch bei privaten Andachten zur Marienverehrung gesungen wurde.
Und dann bleibt noch die Terra incognita der Improvisation, jene verschwundene Kunst, die Leonardo so hervorragend beherrschte …
* Gekürzte Version nach dem Kommentar der CD Leonardo da Vinci: La Musique secrète. Alpha 465