Fr 27.09.

20.00h Kulturhaus Helferei, Kirchgasse 13

Leonardos
Musikgeheimnisse

Doulce Mémoire

Clara Coutouly Sopran
Matthieu Le Levreur Bariton

Miguel Henry Laute
Baptiste Romain or Nicolas Sansarlat Lyra da braccio
Bérengère Sardin Renaissanceharfe
Denis Raisin Dadre Blöckflöten & Leitung

doulcememoire.com

Von Samstag, 21.09. bis Sonntag, 29.09. findet in Zürich die Rad-WM statt. Deshalb ist das Kulturhaus Helferei zwar immer, aber etwas eingeschränkt zugänglich. Zwischen Central und Bellevue fahren keine Trams, ebenfalls nicht zwischen Central und Heimplatz (Schauspielhaus). Zu Fuss sind die Konzertorte immer erreichbar. Rechnen Sie aber mit etwas mehr zeitlichem Aufwand als normal.

Wir freuen uns, Sie zu sehen!


Verkündigung

Frater Petrus

  • Ave Maria, gratia plena

Marchetto Cara

  • Ave Maria, gratia plena

Anonym

  • Vergine Immaculata instrumental

Marchetto Cara

  • Ave Maria, gratia plena

Taufe Christi

Anonym

  • La Danse de Clèves

Conrad Paumann

  • Mit ganzem Willen Basse danse

Madonna in der Felsengrotte

Domenico da Piacenza

  • Ballo Bel fiore

Francesco Spinacino

  • Recercare instrumental

Anonym

  • Poi che t’hebbi nel core laude

Anonym

  • Fortuna desperata instrumental

Johannes de Pinarol

  • Poi che t’hebbi nel core

Heinrich Isaac

  • Fortuna desperata / Sancte Petre

Bildnis eines Musikers

Josquin Desprez

  • Mille regretz

Tilman Susato

  • Les miens aussi, responce à Mille regretz

Isabella d’Este

Bartolomeo Tromboncino

  • Non val l’acqua

Michael Pesenti

  • L’acque vale al mio gran foco

Marchetto Cara

  • Gli pur giunto el giorno

Anna Selbdritt

Jean l’Héritier

  • Ave Mater, Matris Dei

Ginevra de’ Benci

Hayne van Ghizeghem

  • De tous bien playne

Johannes der Täufer

Francesco da Milano

  • La Spagna instrumental

Mona Lisa

Improvisation

  • Fr. Petrarca: Sonett VIII Vergognando talor

Anonym

  • Per Sonetti Frottola

Anonym

  • Lucrezia pulchra (Mona Lisa pulchra)

La Belle Ferronnière

Gugliemo Ebreo

  • Basse danse Venus Laute

Anonym

  • Patienza ognum mi dice

Gugliemo Ebreo

  • Basse danse Venus Lyra

Anonym

  • O mischini

Anonym

  • Ballo Petit rien

Francesco Patavino

  • Donne, venete al ballo

Ansano Senese

  • Noi siamo galeotti

Marchetto Cara

  • Tante volte si si si

Als Leonardo da Vinci (1452–1519) dem Herzog von Mailand, Ludovico Sforza, um 1482 seine Dienste antrug, hob er vor allem seine Fähigkeiten als Militäringenieur hervor: transportierbare Brücken und Belagerungsmaschinen, Wassergräben und Tunnel, Panzerwagen, Mörser, Katapulte und andere Apparate von wunderbarer Wirkung – alles kann er auf Wunsch liefern. Und ausserdem: In der Malerei kann ich gleichermassen machen, was sich nur denken lässt, so gut wie jeder andere, wer es auch sei.
Dagegen betont Leonardos Biograph Giorgio Vasari, Leonardo sei wegen ganz anderen Fähigkeiten an den Hof gerufen worden, nämlich – als Musiker! Und für einen Zeitgenossen, Paolo Giovio, wurde Leonardo ebenfalls aus diesem Grund besonders geschätzt: Zur Lyra sang er sehr schön, was allen Fürsten, gleich welchen Alters, ausserordentlich gefiel. Und natürlich wäre Leonardo nicht Leonardo, wenn er für den Fürsten nicht gleich eine ganz besondere Lyra gebaut hätte – in Form eines silbernen Pferdekopfs …
***
Leonardo der Musiker – er erscheint heute in manchen Biographien nur gerade am Rand. Für Denis Raisin Dadre, den Leiter des Ensembles Doulce Mémoire, wurden Leonardo und seine Musik jedoch zum Thema eines ganzen Konzertprogramms. Dazu sein Kommentar*:
Ausgangspunkt dieses Projekts war ein Hinweis, den der Kunstkritiker Marcel Brion zu Leonardos Bild Madonna in der Felsengrotte gab: Die musizierenden Engel, die die Jungfrau Maria in diesem Bild umgeben sollten, sind auf die Seitenflügel des Gemäldes verbannt. Leonardo weiss, dass die geheime Musik, die dieses Gemälde erfüllt, nur dann wahrgenommen wird, wenn er die Instrumente aus dem Bild entfernt.
Leonardo liebte und spielte Musik. Zu seiner Zeit war er als Spieler der Lyra da braccio bekannt, eines siebensaitigen Streichinstruments, das auch von Dichtern wie Marsilio Ficino oder Angelo Poliziano gespielt wurde. Und auch zum Malen liess Leonardo sich anscheinend Musik vorspielen, wie er in seinem Trattato (1584) beschreibt: Der Maler sitzt bequem vor seinem Werk […], oft lässt er sich von Musik oder dem Vortrag schöner, verschiedenartiger Dichtungen begleiten.
Die Suche nach den Musikstücken, die Leonardo spielte, ist jedoch vergeblich, denn die Lyra da braccio wurde zum Improvisieren verwendet, vor allem zum Vortrag von Dichtungen mit Musikbegleitung, und so sind keine schriftlichen Quellen erhalten. Ich musste also nach Musikstücken suchen, die mit den von mir ausgewählten Gemälden in Einklang standen. Dabei wollte ich jeden Anachronismus vermeiden, denn die Musik von Leonardos Jugendzeit um 1470 war keineswegs die gleiche wie die aus der Zeit seines Lebensabends in Frankreich nach 1516.
Darüber hinaus zeigte sich noch ein weiteres Problem: Unter Leonardos Zeitgenossen gibt es keinen bedeutenden italienischen Komponisten; zwischen der Musik des Trecento und den ersten Madrigalen klafft eine Lücke. Die grossen mehrstimmigen Werke dieser Zeit stammen von den franko-flämischen Komponisten aus dem Norden, den Oltramontani, die von allen grossen Höfen und Kathedralen Italiens umworben wurden. Von ihnen erscheinen im Programm u.a. Heinrich Isaac, Josquin Desprez, Jean l’Héritier und Hayne van Ghizeghem. Und es könnte gut sein, dass der grösste Maler dieser Epoche dem grössten Komponisten dieser Epoche, Josquin Desprez, persönlich begegnete: Josquin stand damals im Dienst des Kardinals Ascanio Sforza und hielt sich 1487 nachweislich in Mailand am Hof der Sforzas auf.
Das widerspiegeln auch die ersten Musikdrucke, die ab 1501 von Ottaviano Petrucci in Venedig veröffentlicht werden: Sie enthalten durchwegs polyphone Werke der franko-flämischen Komponisten. Erst 1504 erschien ein Band mit Frottole, also mit italienischer Musik. Die Frottola ist eine etwas schlichtere Vorform des Madrigals. Sie wurde vor allem auch am Hof von Mantua gepflegt, wo Marchetto Cara im Dienst der Herzogin Isabelle d’Este stand. Ein weiteres italienisches Genre, das von Petrucci veröffentlicht wurde, war die Lauda, ein einfaches geistliches Lied, das vor allem auch bei privaten Andachten zur Marienverehrung gesungen wurde.
Und dann bleibt noch die Terra incognita der Improvisation, jene verschwundene Kunst, die Leonardo so hervorragend beherrschte …

* Gekürzte Version nach dem Kommentar der CD Leonardo da Vinci: La Musique secrète. Alpha 465