Maddalena Casulana:
Dialoge
Liane Sadler Traversflöte
Elias Conrad Laute
lianesadler.comeliasconrad.com
Dieses Projekt wurde im Rahmen des Residenzprogramms des Amis de l’Esparrou – Odyssée-Programms – ACCR mit Unterstützung des französischen Ministeriums für Kultur und Kommunikation realisiert.
Maddalena Casulana (ca. 1540–ca. 1590)
- Se scior si ved’ il laccio +
- Morir non può ‘l mio core +
- Sculpio nell’alm’amore +
- Morte! Che voi? *
***
Cipriano de Rore (1515/16-1565)
- Il desiderio +
Maddalena Casulana
- Ridon‘ hor per le piagge *
- Come fra verd’erbette *
- Vagh’ amorosi * – Diminutionen von Liane Sadler
Giorgio Mainerio (ca. 1530–1582)
- Ballo Milanese °
- L‘arboscello – Ballo Furlano °
- Madalena Casulana Monti, selve, fontane *
- O notte, O cielo, O mar *
***
Maddalena Casulana
- Stavasi il mio bel sol # – Ricercar von Liane Sadler
- Canzon: Cinta di fiori un giorno (Prima parte) *
- Gli occhi lucenti (Seconda parte) *
- La dea che nel mar nacque (Terza parte) *
- Io felice pastore (Quarta parte) *
- Per lei pos‘ in oblio (Quinta et ultima parte) *
***
Maddalena Casulana
- Viv’ardor, viva fiamma *
- Io d‘odorate *
- Gran miracol *
- Vedesti amor giamai +
- Amorosetto fiore §
***
Giorgio Mainerio
- Tedescha terza – Saltarello °
- Gagliarda °
Maddalena Casulana
- Ahi possanza d’amor *
- Ben venga il pastor *
- Adio Lidia *
- S’alcun mi vira *
- Amor per qual cagion *
Orlando di Lasso (1532–1594)
- Lasso ch’il crederia §
Maddalena Casulana
- Il vostro dipartir * – Diminutionen von Liane Sadler
+ Aus: Primo libro de diversi eccellentissimi auttori intitulato Il desiderio, Venedig 1566
§ Aus: Terzo libro del Desiderio, Venedig 1567
* Aus: Il secondo libro de madrigali a quattro voci, Venedig 1570
# Aus: Il gaudio, Venedig 1567 & 1586
° Aus: Il primo Libro de Balli, 1578
Alle Stücke arrangiert von Liane Sadler & Elias Conrad
Vokalmusik auf Traversflöte und Laute?
Die Musik von Maddalena Casulana lebt von unterschiedlichsten Facetten: von jähen Wechseln der Texturen und Klangfarben, von eng verwobenen Stimmen und expressiven Gesten. Traversflöte und Laute, von Natur aus fragile Instrumente, bieten hierfür ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Ihre Fragilität schafft eine intime Atmosphäre, die zum intensiven Zuhören einlädt. Im Konzertprogramm werden Casulanas drei- und vierstimmige Vokalwerke einigen Stücken anderer einflussreicher Komponisten ihrer Zeit gegenübergestellt. Dadurch entsteht ein Dialog, der ihren einzigartigen persönlichen Stil in seinen zeitlichen Kontext stellt und dadurch deutlich hervortreten lässt.
In diesem Konzert wird Casulanas Musik rein instrumental aufgeführt, wodurch sich eine „Kluft“ auftut. Die historisch informierte Aufführungspraxis soll dabei helfen, diese Kluft zwischen Vokal- und Instrumentalmusik, zwischen Notenmaterial und Aufführung, zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überbrücken. Dazu dient vor allem die Diminution, also die Kunst, Melodien mit Ornamenten zu verzieren – eine in der Renaissance typische instrumentale Praxis bei der instrumentalen Aufführung von Vokalmusik. Wir verwenden eine Mischung aus improvisierten und selbstkomponierten Diminutionen, um Casulanas „Wortmalerei“, die Darstellung des Textes durch Musik, zu reflektieren. Dabei setzen wir auch Bastarda-Arrangements ein, bei denen die Ausführenden zwischen verschiedenen Stimmlinien hin- und herspringen, um so Motive und Dialoge in der Musik hervorzuheben. An manchen Stellen wird sich also die Traversflöte oder die Laute zurückziehen und dem anderen Instrument Raum geben, einen Moment für sich allein zu sprechen. Die Texte, die Casulana zu ihren musikalischen Kompositionen inspiriert haben, geben ihrerseits wiederum Impulse, wie sich ihre Vokalmusik auf die Instrumente übertragen lässt. So sollen spezielle Instrumentalversionen entstehen, die Casulanas kompositorische Meisterschaft unterstreichen.
Liane Sadler / Übersetzung Elias Conrad
Maddalena Casulana – eine wiederentdeckte Komponistin der Renaissance
Maddalena Casulana (ca. 1540–ca. 1590) war die erste Frau, die ihre Kompositionen unter eigenem Namen veröffentlichte. Leider ist immer noch nur wenig Biographisches von ihr bekannt. Sicher studierte sie in Fiesole und Florenz; ihr Lehrer war der berühmte Theoretiker und Komponist Nicola Vicentino. 1568 übersiedelte sie nach Venedig, wo kurz zuvor fünf ihrer Madrigale in der Anthologie Il Desiderio erschienen waren (Venedig (1566/67). Hier konnte Casulana sich in den kommenden Jahren als Sängerin, Gesangslehrerin und Komponistin etablieren, reiste aber regelmässig auch in andere europäische Städte.
Noch im gleichen Jahr 1568 erschien ihre erste eigene Publikation: Il primo libro di madrigali a quattro voci, und darüber hinaus wurde die junge Komponistin – womöglich etwas überraschend – eingeladen, für die prestigeträchtige Hochzeit von Herzog Wilhelm V. von Bayern und Renée von Lothringen ein Werk zu komponieren. Die Komposition selbst, die Motette Nil mage iucundum, ist leider nicht erhalten; jedoch gibt es dazu einen Bericht des Hofmusikers Massimo Troiano: Am selben Abend dann, beim üppigen Abendessen, liess der hochberühmte Orlando di Lasso neben anderer Unterhaltung und herrlicher Musik zum Konfekt eine fünfstimmige Komposition der Signora Maddalena Casulana vortragen, die mit allergrösster Aufmerksamkeit angehört wurde.
1570 veröffentlichte die Komponistin ein Secondo libro di madrigali a quattro voci, und 1583 folgte (in Ferrara) Il primo libro di madrigali a cinque voci. In diesem Band wird die Komponistin mit dem Namen Maddalena Mezari detta Casulana Vicentina erwähnt, was möglicherweise darauf hindeutet, dass sie mittlerweile verheiratet war. 1591 folgten zwei Bände mit Madrigali spirituali, die jedoch verschollen sind.
Diese Reihe von Veröffentlichungen wäre an sich für eine Komponistin der damaligen Zeit schon bemerkenswert genug. Darüber hinaus schlägt Casulana im Vorwort des Primo libro, das sie Isabella de’ Medici widmet, selbstbewusst-kämpferische Töne an. Sie möchte nämlich auf dem Gebiet der Musik aller Welt den dummen Irrtum der Männer aufzeigen, die so hartnäckig glauben, die einzigen Meister der hohen Gabe des Intellekts zu sein, so dass diese [Gabe] ihrer Meinung nach nicht gleichermassen auch den Frauen zukommen kann.
Wie zu erwarten, goutierten das nicht alle Angesprochenen. So meinte der Musiker Niccolò Tagliaferro 1570 ärgerlich, dass Casulanas Kompositionen das Publikum noch mehr erfreuten als ihre Gesangsdarbietungen, in der Tat mehr, als es einem Frauenberuf zukommt. Nichtsdestotrotz war sie eine anerkannte Komponistin, die zusammen mit renommierten Kollegen wie Orlando di Lasso und Cipriano de Rore in Anthologien veröffentlicht wurde; und die Gesangsdarbietungen der Casolana famosa – sie begleitete sich dabei selbst auf der Laute – waren für ihre Zeitgenossen erwähnenswerte Ereignisse.
Allerdings verhinderte all dies nicht, dass Maddalena Casulanas späteres Leben (und ihr Tod) grossenteils im Dunkeln liegen. Auch gingen Teile ihres Werks verloren, sodass diese nicht mehr aufführbar waren; und die Komponistin geriet bis in unsere Zeit hinein in fast vollständige Vergessenheit. 2021 machte die Musikwissenschaftlerin Laurie Stras jedoch eine glückliche Entdeckung: Sie fand in einer russischen Bibliothek die bislang fehlende Altstimme des Madrigalbuchs von 1583 (Madrigali a cinque voci), sodass dieses jetzt erstmals wieder aufgeführt werden kann.
Das Forum Alte Musik Zürich plant ein Konzert mit u.a. diesen Werken für den Herbst 2025.