19.30h Kulturhaus Helferei
Stars ihrer Zeit
Maddalena Casulana (ca. 1532–ca. 1590)
Barbara Strozzi (1619–1677)
Fieri Consort

Maddalena Casulana
- Come fiammeggia e splende
- Aura, che mormorando al bosco
Prima parte: Aura, che mormorando al bosco
Seconda parte: Così non senti mai novo furore
Terza parte: Io d’odorate frondi e di bei fiori
Quarta parte: Se vedrem poi destarsi lieta e bella
Il primo libro di madrigali a cinque voci (1583)
Barbara Strozzi
- Godere in gioventù
Il primo libro di madrigali, Op. 1 (1644)
Maddalena Casulana
- Caro dolce mio, Amore (1583)
- Tu mi dicesti, Amore (1583)
- Sei voi sete il mio cor (1568) instrumental
Barbara Strozzi
- Il contrasto di cinque sensi (1644)
Maddalena Casulana
- Come esser puote Amore (1583)
- Datemi pace, o duri i miei pensieri! (1583)
- O notte, o ciel, o mar, o piaggie, o monti
Il secondo libro di madrigali a quattro voci (1570)
Barbara Strozzi
- Moralità amorosa
Cantate, ariette a una, due e tre voci, Op. 3 (1654)
Maddalena Casulana
- Dolci e vaghi augelletti (1583)
- O messaggier’ de miei pensieri (1583)
- Bella d’Amor guerriera (1583)
Barabara Strozzi
- Le tre Grazie a Venere (1644)
— Pause —
Maddalena Casulana
- Hai dispietato Amor (1583)
- Perchè al viso d’Amor portava insegna (1583)
- Tu sei, Clitia, il sol mio (1583)
Barbara Strozzi
- Donne belle
Arie, Cantate ed una Serenata, Op. 8 (1664)
Maddalena Casulana
- Faciami quanto vol, fortuna ria (1583)
- Ben veggio di lontano il dolce lume (1583)
- Se da l’ardente humore (1583)
Maddalena Casulana
- Morte! – Che vuoi? (1570)
- Ben venga, il pastor mio (1570)
Prima parte: Ben venga, il pastor mio
Seconda parte: A dio Lidia, mia bella
Barbara Strozzi
- La quaglia, sonetto burlesco (1644)
Maddalena Casulana
- Occhi vaghi e lucenti (1583)
- Come esser (1570) instrumental
- Ovunque volgi il piede (1583)
Prima parte: Ovunque volgi il piede
Seconda parte: E se ciò fia, godrassi per noi
Fieri Consort
Lucy CoxHannah Ely
Luthien Brackett
Christopher Fitzgerald-Lombard
Thomas Kelly
Benjamin Rowarth
Toby Carr
Harry Buckoke
Aileen Henry
fiericonsort.co.uk
L’Eccellenza delle Donne
Die Vornehmheit und Vortrefflichkeit der Frauen; und die Fehler und Unzulänglichkeiten der Männer. Pointiert kündet die venezianische Autorin Lucretia Marinelli (1571–1653) ihr kontroverses Thema im Titel ihrer Streitschrift (Venedig 1600) an. Sie antwortet damit auf eine Polemik von Giuseppe Passi aus dem Vorjahr, der unter dem Titel Dei donneschi peccati (natürlich) das lange tradierte Gegenteil dargelegt hatte. Ihre Abhandlung ist bahnbrechend, denn nie zuvor hatte eine Frau es gewagt, eine solche Darstellung öffentlich zu machen. Lucretia Marinellis Leben bildet eine Art von Brücke zwischen den beiden Komponistinnen Maddalena Casulana und Barbara Strozzi. Diese sprachen ähnliche Themen an – und es ist wohl kein Zufall, dass alle drei in Venedig lebten und arbeiteten. Alle drei wussten auch, welche Rolle die Publikation ihrer Arbeiten in der öffentlichen Wahrnehmung spielten.
Maddalena Casulana (ca. 1532–ca. 1590) war denn auch die erste Komponistin, die ihre Musik unter eigenem Namen veröffentlichte. Leider ist immer noch nur wenig Biographisches von ihr bekannt. Sicher studierte sie in Fiesole und Florenz; ihr Lehrer war der berühmte Theoretiker und Komponisten Nicola Vicentino. 1568 übersiedelte sie nach Venedig, wo kurz zuvor fünf ihrer Madrigale in der Anthologie Il Desiderio erschienen waren (Venedig, 1566/67). Noch im gleichen Jahr erschien ihre erste eigene Publikation: Il primo libro di madrigali a quattro voci.
In Venedig konnte Casulana sich in den kommenden Jahren als Sängerin, Gesangslehrerin und Komponistin etablieren, reiste aber regelmässig auch in andere europäische Städte. So wurde die junge Komponistin – womöglich etwas überraschend – eingeladen, für die prestigeträchtige Hochzeit von Herzog Wilhelm V. von Bayern und Renée von Lothringen ein Werk zu komponieren. Die Komposition selbst, die Motette Nil mage iucundum, ist leider nicht erhalten; jedoch gibt es dazu einen Bericht des Hofmusikers Massimo Troiano: Am selben Abend dann, beim üppigen Abendessen, liess der hochberühmte Orlando di Lasso neben anderer Unterhaltung und herrlicher Musik zum Konfekt eine fünfstimmige Komposition der Signora Maddalena Casulana vortragen, die mit allergrösster Aufmerksamkeit angehört wurde.
1570 veröffentlichte die Komponistin ein Secondo libro di madrigali a quattro voci, und 1583 folgte (in Ferrara) Il primo libro di madrigali a cinque voci. In diesem Band wird die Komponistin mit dem Namen Maddalena Mezari detta Casulana Vicentina erwähnt, was möglicherweise darauf hindeutet, dass sie mittlerweile verheiratet war. 1591 folgten zwei Bände mit Madrigali spirituali, die leider verschollen sind.
Das alles wäre schon bemerkenswert genug, doch darüber hinaus schlägt Casulana im Vorwort des Primo libro, das sie Isabella de’ Medici widmet, selbstbewusst-kämpferische Töne an, die die Position von Lucretia Marinelli um 30 Jahre vorwegnehmen. Sie möchte nämlich auf dem Gebiet der Musik aller Welt den dummen Irrtum der Männer aufzeigen, die so hartnäckig glauben, die einzigen Meister der hohen Gabe des Intellekts zu sein, so dass diese [Gabe] ihrer Meinung nach nicht gleichermassen auch den Frauen zukommen kann.
Wie zu erwarten, goutierten das nicht alle Angesprochenen. So meinte der Musiker Niccolò Tagliaferro 1570 ärgerlich, dass Casulanas Kompositionen das Publikum noch mehr erfreuten als ihre Gesangsdarbietungen, in der Tat mehr, als es einem Frauenberuf zukommt. Nichtsdestotrotz war sie eine anerkannte Komponistin, die zusammen mit renommierten Kollegen wie Orlando di Lasso und Cipriano de Rore in der Anthologie Il Desiderio veröffentlicht wurde; und die Gesangsdarbietungen der Casolana famosa – sie begleitete sich dabei selbst auf der Laute – waren damals erwähnenswerte Ereignisse.
Trotzdem liegen Casulanas späteres Leben (und ihr Tod) grossenteils immer noch im Dunkeln. Auch gingen Teile ihres Werks verloren, und die Komponistin geriet bis in unsere Zeit hinein in fast vollständige Vergessenheit. 2021 machte die Musikwissenschaftlerin Laurie Stras jedoch eine glückliche Entdeckung: Sie fand in einer russischen Bibliothek die bislang fehlende Altstimme des Madrigalbuchs von 1583 (Madrigali a cinque voci), sodass dieses jetzt erstmals wieder aufgeführt werden kann.*
* Laurie Stras ist Professorin Emerita der Universität Southampton und war Co-Leiterin des Ensembles Musica Secreta, das mehrere CDs mit Musik von und für Frauen aufgenommen hat. Ein ausführlicherer Bericht über ihre Entdeckung findet sich im Begleittext der CD The Excellence of Women: Casulana & Strozzi, die das Fieri Consort aufgenommen hat.