Sa 27.09.

19.30h Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13

Stars ihrer Zeit
Maddalena Casulana (ca. 1532–ca. 1590)
Barbara Strozzi (1619–1677)

Fieri Consort


Maddalena Casulana

  • Come fiammeggia e splende
  • Aura, che mormorando al bosco
    Prima parte: Aura, che mormorando al bosco
    Seconda parte: Così non senti mai novo furore
    Terza parte: Io d’odorate frondi e di bei fiori
    Quarta parte: Se vedrem poi destarsi lieta e bella
    Il primo libro di madrigali a cinque voci (1583)

Barbara Strozzi

  • Godere in gioventù
    Il primo libro di madrigali, Op. 1 (1644)

Maddalena Casulana

  • Caro dolce mio, Amore (1583)
  • Tu mi dicesti, Amore (1583)
  • Sei voi sete il mio cor (1568) instrumental

Barbara Strozzi

  • Il contrasto di cinque sensi (1644)

Maddalena Casulana

  • Come esser puote Amore (1583)
  • Datemi pace, o duri i miei pensieri! (1583)
  • O notte, o ciel, o mar, o piaggie, o monti
    Il secondo libro di madrigali a quattro voci (1570)

Barbara Strozzi

  • Moralità amorosa
    Cantate, ariette a una, due e tre voci, Op. 3 (1654)

Maddalena Casulana

  • Dolci e vaghi augelletti (1583)
  • O messaggier’ de miei pensieri (1583)
  • Bella d’Amor guerriera (1583)

Barabara Strozzi

  • Le tre Grazie a Venere (1644)

— Pause —

Maddalena Casulana

  • Hai dispietato Amor (1583)
  • Perchè al viso d’Amor portava insegna (1583)
  • Tu sei, Clitia, il sol mio (1583)

Barbara Strozzi

  • Donne belle
    Arie, Cantate ed una Serenata, Op. 8 (1664)

Maddalena Casulana

  • Faciami quanto vol, fortuna ria (1583)
  • Ben veggio di lontano il dolce lume (1583)
  • Se da l’ardente humore (1583)

Maddalena Casulana

  • Morte! – Che vuoi? (1570)
  • Ben venga, il pastor mio (1570)
    Prima parte: Ben venga, il pastor mio
    Seconda parte: A dio Lidia, mia bella

Barbara Strozzi

  • La quaglia, sonetto burlesco (1644)

Maddalena Casulana

  • Occhi vaghi e lucenti (1583)
  • Come esser (1570) instrumental 
  • Ovunque volgi il piede (1583)
    Prima parte: Ovunque volgi il piede
    Seconda parte: E se ciò fia, godrassi per noi

Fieri Consort
Lucy Cox Sopran
Hannah Ely Sopran
Luthien Brackett Mezzosopran
Christopher Fitzgerald-Lombard Tenor
Thomas Kelly Tenor
Benjamin Rowarth Bass
Toby Carr Lauten
Harry Buckoke Gamba
Aileen Henry Barockharfe

fiericonsort.co.uk

L’Eccellenza delle Donne

Die Vornehmheit und Vortrefflichkeit der Frauen; und die Fehler und Unzulänglichkeiten der Männer. Pointiert kündet die venezianische Autorin Lucretia Marinelli (1571–1653) ihr kontroverses Thema im Titel ihrer Streitschrift (Venedig 1600) an. Sie antwortet damit auf eine Polemik von Giuseppe Passi aus dem Vorjahr, der unter dem Titel Dei donneschi peccati (natürlich) das lange tradierte Gegenteil dargelegt hatte. Ihre Abhandlung ist bahnbrechend, denn nie zuvor hatte eine Frau es gewagt, eine solche Darstellung öffentlich zu machen. Lucretia Marinellis Leben bildet eine Art von Brücke zwischen den beiden Komponistinnen Maddalena Casulana und Barbara Strozzi. Diese sprachen ähnliche Themen an – und es ist wohl kein Zufall, dass alle drei in Venedig lebten und arbeiteten. Alle drei wussten auch, welche Rolle die Publikation ihrer Arbeiten in der öffentlichen Wahrnehmung spielten.
Maddalena Casulana (ca. 1532–ca. 1590) war denn auch die erste Komponistin, die ihre Musik unter eigenem Namen veröffentlichte. Leider ist immer noch nur wenig Biographisches von ihr bekannt. Sicher studierte sie in Fiesole und Florenz; ihr Lehrer war der berühmte Theoretiker und Komponisten Nicola Vicentino. 1568 übersiedelte sie nach Venedig, wo kurz zuvor fünf ihrer Madrigale in der Anthologie Il Desiderio erschienen waren (Venedig, 1566/67). Noch im gleichen Jahr erschien ihre erste eigene Publikation: Il primo libro di madrigali a quattro voci.
In Venedig konnte Casulana sich in den kommenden Jahren als Sängerin, Gesangslehrerin und Komponistin etablieren, reiste aber regelmässig auch in andere europäische Städte. So wurde die junge Komponistin – womöglich etwas überraschend – eingeladen, für die prestigeträchtige Hochzeit von Herzog Wilhelm V. von Bayern und Renée von Lothringen ein Werk zu komponieren. Die Komposition selbst, die Motette Nil mage iucundum, ist leider nicht erhalten; jedoch gibt es dazu einen Bericht des Hofmusikers Massimo Troiano: Am selben Abend dann, beim üppigen Abendessen, liess der hochberühmte Orlando di Lasso neben anderer Unterhaltung und herrlicher Musik zum Konfekt eine fünfstimmige Komposition der Signora Maddalena Casulana vortragen, die mit allergrösster Aufmerksamkeit angehört wurde.
1570 veröffentlichte die Komponistin ein Secondo libro di madrigali a quattro voci, und 1583 folgte (in Ferrara) Il primo libro di madrigali a cinque voci. In diesem Band wird die Komponistin mit dem Namen Maddalena Mezari detta Casulana Vicentina erwähnt, was möglicherweise darauf hindeutet, dass sie mittlerweile verheiratet war. 1591 folgten zwei Bände mit Madrigali spirituali, die leider verschollen sind.
Das alles wäre schon bemerkenswert genug, doch darüber hinaus schlägt Casulana im Vorwort des Primo libro, das sie Isabella de’ Medici widmet, selbstbewusst-kämpferische Töne an, die die Position von Lucretia Marinelli um 30 Jahre vorwegnehmen. Sie möchte nämlich auf dem Gebiet der Musik aller Welt den dummen Irrtum der Männer aufzeigen, die so hartnäckig glauben, die einzigen Meister der hohen Gabe des Intellekts zu sein, so dass diese [Gabe] ihrer Meinung nach nicht gleichermassen auch den Frauen zukommen kann.
Wie zu erwarten, goutierten das nicht alle Angesprochenen. So meinte der Musiker Niccolò Tagliaferro 1570 ärgerlich, dass Casulanas Kompositionen das Publikum noch mehr erfreuten als ihre Gesangsdarbietungen, in der Tat mehr, als es einem Frauenberuf zukommt. Nichtsdestotrotz war sie eine anerkannte Komponistin, die zusammen mit renommierten Kollegen wie Orlando di Lasso und Cipriano de Rore in der Anthologie Il Desiderio veröffentlicht wurde; und die Gesangsdarbietungen der Casolana famosa – sie begleitete sich dabei selbst auf der Laute – waren damals erwähnenswerte Ereignisse.
Trotzdem liegen Casulanas späteres Leben (und ihr Tod) grossenteils immer noch im Dunkeln. Auch gingen Teile ihres Werks verloren, und die Komponistin geriet bis in unsere Zeit hinein in fast vollständige Vergessenheit. 2021 machte die Musikwissenschaftlerin Laurie Stras jedoch eine glückliche Entdeckung: Sie fand in einer russischen Bibliothek die bislang fehlende Altstimme des Madrigalbuchs von 1583 (Madrigali a cinque voci), sodass dieses jetzt erstmals wieder aufgeführt werden kann.*

* Laurie Stras ist Professorin Emerita der Universität Southampton und war Co-Leiterin des Ensembles Musica Secreta, das mehrere CDs mit Musik von und für Frauen aufgenommen hat. Ein ausführlicherer Bericht über ihre Entdeckung findet sich im Begleittext der CD The Excellence of Women: Casulana & Strozzi, die das Fieri Consort aufgenommen hat.

***
Während Maddalena Casulana ganz in der Tradition des polyphonen Renaissance-Madrigals komponiert, knüpft ihre Kollegin Barbara Strozzi zwar dort an, schreibt aber ihr weiteres Werk ganz im neuen Stil des Frühbarocks. Aber wie ihre Vorgängerin zeigt auch sie in ihrer ersten Publikation grosses Selbstbewusstsein. Im Prolog (Proemio) ihres Primo Libro de Madrigali (1644) sieht sie sich möglicherweise gekrönt mit dem unsterblichen Lorbeer, vielleicht als neue Sappho genannt. Allerdings lebt sie in ganz anderen Lebensumständen als Casulana vor rund hundert Jahren.
Barbara Strozzi (1619–1677) gilt offiziell als Adoptivtochter des renommierten venezianischen Literaten Giulio Strozzi – auch Monteverdi vertont seine Texte –, doch ist sie in Wirklichkeit seine leibliche, aber uneheliche Tochter. Sie erhält eine sorgfältige Ausbildung vom Vater selbst und hat Kompositionsunterricht beim Monteverdi-Schüler Francesco Cavalli. Barbara Strozzi wird eine ausgezeichnete Sängerin, spielt mehrere Instrumente und komponiert. Ihr Vater gründet 1637 für sie eine sogenannte Academia, ein Treffen im privaten Kreis, bei dem man vorliest und diskutiert, Wettbewerbe veranstaltet, Preise vergibt und in diesem Fall natürlich auch musiziert.
Frauen sind in der Regel nur als passive Gäste willkommen, doch bei Giulio Strozzis Academia degli Unisoni ist seine Tochter der Mittelpunkt der Veranstaltung. Sie leitet die Diskussionen, vergibt die Preise und singt ihre eigene Musik. So viel Aufmerksamkeit und Bewunderung für eine noch junge Sängerin und Komponistin kann nicht ohne Nebentöne bleiben. Einmal wird in der Academia diskutiert, welche Rolle und Wirkung Blumen bei der Liebe spielen. Zu dieser Diskussion verteilt Barbara Strozzi Blumen an die Anwesenden. Danach erscheint ein anonymes Pamphlet, Le satire, in dem es anzüglich heisst: Es ist eine schöne Sache, Blumen zu verteilen, nachdem man die Früchte schon verschenkt hat. Und noch deutlicher: Keuschheit zu bekennen und keusch zu sein: das sind zwei verschiedene Dinge.
Tatsächlich bekommt Barbara Strozzi im gleichen Jahr 1644, in dem ihr erstes Madrigalbuch erscheint, auch ihr erstes Kind – unverheiratet. Drei weitere Kinder werden jedoch von Giovanni Paolo Vidman, Sohn einer aristokratischen venezianischen Familie, offiziell als die seinen anerkannt. Somit ist anzunehmen, dass Barbara Strozzi mit ihm im halboffiziellen Status einer Kurtisane, als kultivierte Unterhalterin und Mätresse, lebte. Zumindest ökonomisch fuhr sie gut dabei, denn sie kaufte Staatsanleihen und verlieh ihrerseits Geld. Am 11. November 1677 wird Barbara Strozzi in Padua als verstorben registriert.
Nach dem Madrigalbuch von 1644 vergehen sieben Jahre ohne weitere Publikationen. Ab 1651 erscheinen dann sechs Bände mit weltlichen und ein Band mit geistlichen Gesängen. Während die Madrigale Op. 1 im alten polyphonen Stil für zwei, drei, vier und fünf Stimmen komponiert sind und das Opus 3 noch einige Duette und Terzette enthält, schreibt die Komponistin in den späteren Bänden meist im damals modernen Stil für eine Solostimme und Basso continuo – und wohl primär für den eigenen Auftritt als Sängerin. Im Titel ihres Opus 2 erscheint bereits auch der damals noch neue Begriff Cantata. Barbara Strozzi partizipiert somit aktiv an der Weiterentwicklung der einteiligen Solomotette zur mehrteiligen, dramatischen Kantate.