Di 27.09.

19.30h Französische Kirche, Schanzengasse 25

Preisträgerinnen-Konzert
Cantico

Sjaella

Viola Blache Sopran
Franziska Eberhardt Sopran
Marie Fenske Sopran
Marie Charlotte Seidel Mezzosopran
Luisa Klose Alt
Helene Erben Alt

Josué Meléndez Zink


sjaella.de
ifedeli.org


John Dunstable (ca. 1390–1453)

  • Quam pulchra es a 3
  • O rosa bella a 3

Christóbal de Morales (ca. 1500–1553)

  • O magnum mysterium a 4

Tomás Luis de Victoria (1548–1611)

  • Trahe me post te a 6

Ola Gjeilo (*1978)

  • Northern Lights (Pulchra es, amica mea)

Josué Meléndez (*1974)

  • Ricercata improvvisata sul Nono modo

Jacobus Clemens non Papa (ca. 1510/15–1555/56)

  • Ego flos campi a 7

Melchior Franck (ca. 1579–1639)

  • Meine Schwester, liebe Braut
  • O, dass ich dich, mein Bruder
  • Du bist aller Dinge schön
    Aus: 5 Hohelied-Motetten a 5&6

Pause

Suite degli uccelli:

Henry Purcell (1659–1695) / Arr.: Sjaella

  • Improvisation über A Bird’s Prelude
    Aus: The Fairy Queen

Clément Janequin (ca. 1485–1558) / Arr.: Susanne Blache (*1962)

  • Le Rossignol
    Aus: Le Chant des oiseaux

Caroline Shaw (*1981)

  • Dolce cantavi

Josué Meléndez

  • Cantico della Natura
    Text nach Francesco d’Assisi (ca. 1181–1226)
    Verzierungen nach Francesco Rognoni (ca. 1570–1626)

Geister der Nacht:

Henry Purcell / Arr.: Philip Lawson (*1957)

  • See, even night is here (Night)
  • I am come to lock all fast (Mystery)
  • One charming night (Secrecy)
  • Hush, no more (Sleep)

Claudio Monteverdi (1567–1643) / Arr.: Josué Meléndez

  • Vi ricorda, o boschi ombrosi
    Aus: L’Orfeo

Son Jarocho (Trad. Mexico, Mitte 18.Jh.) / Arr.: Josué Meléndez

  • Maria Chuchena

Cantico … dei Cantici e della Natura

Die Schönheit der Welt liegt in Vielfalt und Farbenreichtum. Und wie sehr sind wir den Schöpfern der künstlerischen Mittel zu Dank verpflichtet, durch die der Mensch seit Jahrhunderten seine Gedanken über die Schönheit zu verewigen weiss. Die Liebeslieder aus dem Hohelied Salomos sind ein Zeugnis tief empfundener Faszination für die Anmut des anderen Geschlechts. Sie inspirierten epochenübergreifend Komponist*innen dazu, ihre bildhafte Sprache in Klang zu übersetzen.
Im ersten Teil des Konzerts vereinen das Vokalensemble Sjaella und der Zinkenist Josué Meléndez einerseits Hohelied-Vertonungen von Vertretern der englischen, spanischen und franko-flämischen Renaissancemusik: John Dunstable, Tomás Luis de Victoria und Jacobus Clemens non Papa. Andererseits wird dieses Spektrum erweitert mit Vertonungen des deutschen Komponisten Melchior Franck, der an der Wende von der Renaissance zum Barock komponierte, sowie mit der nur wenige Jahre alten Vertonung von Pulchra es, amica mea des Norwegers Ola Gjeilo.
Zahlreiche Verweise der Texte auf die Natur führten die Künstlerinnen zu Franz von Assisis Cantico delle Creature, den die Schöpfung preisenden Sonnengesang, von welchem ein irdisches Licht ausgehen soll. Cantico della Natura betitelt, ist die Eigenkreation von Josué Meléndez, eine musikalische Verehrung der Mutter Natur; sie entfaltet sich mit historischen Verzierungen nach Francesco Rognoni spielerisch über die als Ostinati wiederkehrenden Basslinien. Den Rahmen dazu bildet einerseits die Suite degli uccelli, den Gesang der Vögel als farbenreiche Laute des Lebens hervorhebend, welchen schon Clément Janequin oder Henry Purcell und jüngst auch die amerikanische Komponistin Caroline Shaw musikalisch zu gestalten wussten, und andererseits dann eine Ode an die Zauber und amourösen Facetten der Nacht aus Purcells Semi-Oper The Fairy Queen.
Abschliessend zeigen sich Sjaella und Meléndez noch einmal von einer anderen Seite: Aus sechs Stimmen werden sieben, und die Klangverwebungen des Vokalensembles mit dem Zink werden durch eine rhythmische Gitarrenbegleitung abgelöst; sie bekräftigt Orfeos Liebesgesang an Euridice (aus Monteverdis L’Orfeo) und unterstreicht den volksmusikalischen Charakter des mexikanischen Liedes María Chuchena.
Viola Blache und Franziska Eberhardt
(Sjaella)
***
Das Konzertprogramm von Sjaella skizziert in seinem ersten Teil eine kleine Geschichte der mehrstimmigen Renaissancemusik: Der englische Komponist John Dunstable (ca. 1390–1453) beeinflusste mit seinem dreiklanggesättigten Stil sehr stark die kontinentale Musik der frühen Renaissance, etwa diejenige von Guillaume Dufay.
Diesen wohlklingenden Stil pflegt auch der Niederländer Jacobus Clemens (ca. 1510/15–1555/56), der schon zu Lebzeiten den wohl scherzhaft gemeinten Beinamen «non Papa» erhielt. In der Tat lebte Clemens ganz und gar nicht wie der Papst, sondern machte immer wieder mal als Säufer und Raufbold von sich reden. Allerdings hinderte ihn das nicht daran, ein umfangreiches Werk mit geistlicher Musik zu schreiben, sowohl in lateinischer wie auch in niederländischer Sprache.
Die Komponisten Christóbal de Morales (ca. 1500–1553) und Tomás Luis de Victoria (1548–1611) bilden im 16. Jahrhundert zusammen mit Francisco Guerrero (siehe Seite 27) das Dreigestirn der mehrstimmigen Vokalmusik Spaniens. Beide hielten sich längere Zeit in Rom auf, wo sie sich nicht nur die Raffinessen der Polyphonie, sondern auch die neuen Möglichkeiten eines ausdrucksstarken Stils aneigneten.
Am Ende dieser Epoche der Mehrstimmigkeit und an der Schwelle zum Barock komponierte der deutsche Komponist Melchior Franck (ca. 1579–1639) ein umfangreiches Werk, das vor allem A cappella-Motetten für den protestantischen Gottesdienst, aber auch weltliche Chorlieder und Tänze umfasst.
Im zweiten Teil des Programms dominiert die Musik von Henry Purcell (1659–1695). Die damalige Abneigung des Londoner Publikums gegen gesungene Sprache zwang ihn, das beliebte Mischgenre der Semi-Opera zu bedienen: Sprechtheater-Stücke mit vielen visuellen Effekten und (glücklicherweise) auch mit gesungenen pastoralen, allegorischen oder mythologischen Szenen, den Masques. Der zweite Akt von Purcells Fairy Queen (1692), eine Bearbeitung von Shakespeares Sommernachtstraum, endet mit einer Allegorie der Nacht. – Ironisch mutet heute an, dass das englische Publikum wenige Jahre nach Purcells frühem Tod begeistert der importierten italienischen Oper huldigt …