Freier Eintritt

Sa 16.03.

10.30–13.00 Uhr Musikwissenschaftliches Institut der Universität Zürich, Florhofgasse 11, Seminarraum

Tagung

Referate zum Komponisten Jan Dismas Zelenka

Ltg. Esma Cerkovnik

Es sind u.a. folgende Referate vorgesehen:

  • Jóhannes Ágústsson
    Jan Dismas Zelenka’s Early Years In Dresden (1711–1714): New Sources, New Insights
  • Thomas Hochradner
    Musterschülerschaft? Überlegungen zu Jan Dismas Zelenkas Studien bei Johann Joseph Fux
  • Vaclav Kapsa
    Mapping the Bohemian network of Jan Dismas Zelenka. Overview and perspectives for further research
  • Angelika Moths
    Geistlich wider Willen – Modale und satztechnische Besonderheiten in den Mess- und Psalmenvertonungen von Jan Dismas Zelenka
  • Laurenz Lütteken
    Eingebildete Affekte? Anmerkungen zu Zelenkas Hipocondrie


«Du hochgepriesener, vollkommner Virtuos»
Jan Dismas Zelenka und seine Zeit

In der 40. Ausgabe des Festivals Alte Musik Zürich 2024 liegt der Schwerpunkt auf Musik für Leipzig und Dresden, unter besonderer Berücksichtigung der Vesper. So bietet es sich an, über den Komponisten Jan Dismas Zelenka (1679–1745) zu sprechen, einen der wichtigsten Vertreter der Kirchenmusik in Dresden, der auch mit einer Aufführung der Psalmi Vespertini präsent ist. Die Tagung stellt daher die Persönlichkeit und das Schaffen des Komponisten in den Mittelpunkt, um die Umstände und Ergebnisse seines Wirkens im 18. Jahrhundert kontextuell zu betrachten, neu zu würdigen und bisher wenig erforschte Quellen ans Licht zu bringen. In diesem Sinne soll das Symposium, sowohl hinsichtlich neuer Quellen als auch neuer Sichtweisen auf Bekanntes, die weitere Erforschung des 18. Jahrhunderts, insbesondere zur Kirchenmusik in Dresden, anregen.
Im Zentrum der Tagung steht der Topos des Virtuosen. Dieser Topos findet sich auch in der Veröffentlichung Lob-Gedicht auf die sächsische Hofkapelle von Johann Gottlob Kittel aus dem Jahr 1740. In diesem Lobgedicht, das noch zu Lebzeiten des Komponisten veröffentlicht wurde, würdigt Kittel in aussergewöhnlicher Weise die in der Welt-gepriesenen Hof-Capelle befindlichen Virtuosen – also die Musikerinnen und Musiker –, die hierarchisch und geordnet nach ihren Rollen in der Institution in Dresden vorgestellt werden. Das Gedicht ist aber nicht nur ein poetisches Verzeichnis der Virtuosen, sondern auch eine interessante Reflexion über Musik und Virtuosität im Allgemeinen. Unter den Virtuosen, die in Kittels Lobgedicht erwähnt werden, erscheint Jan Dismas Zelenka als Kirchenkomponist an dritter Stelle hinter dem Hofkapellmeister Johann Adolph Hasse und dessen Gattin, der berühmten Sängerin Faustina Bordoni (Hasse). Ihm singt Apollo (nach Kittel) die folgende Lobeshymne:
Du hochgeprisener, vollkommner Virtuos,
Dein selbst erworbner Ruhm ist Welt-bekannt und gross;
Du kannst zu Gottes Ehr, die Seelen zu ergötzen,
Auf das beweglichste die Kirchen-Stücken setzen,
Die also rührend sind, dass die andächtge Brust
Den Vorschmack schon empfindet von jener Himmels-Lust;
Dahero wird Dein Lob nach Deinen Nahmen grünen,
Sowohl auf Erden hier, als in den Sternen-Bühnen.
Es stellt sich also die Frage, was hinter dem Virtuosen-Begriff bei Zelenka steckt. Gleichzeitig bietet sich die Gelegenheit, einen weiteren bemerkenswerten Aspekt seiner Tätigkeit hinzuzufügen: Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war Zelenka eine Art Systematiker, denn er hinterliess ein Inventarium rerum Musicarum Variorum Authorum. Ecclesiae servientium. Dieses Inventar bietet einen wichtigen Einblick in das kirchliche Repertoire, die Praxis und die Liturgie am Dresdner Hof und zeigt – neben der Auflistung eigener Werke – einen starken italienischen Einfluss. Dabei gelang es Zelenka nicht nur, ein Repertoireverzeichnis zu verfassen, das die Musik im Kirchengebrauch seiner Zeit gut dokumentiert. Vielmehr ermöglicht die Zusammenstellung auch einen Einblick in sein systematisches Denken, seine Methodik sowie seine musikalischen Präferenzen. Vor dem Hintergrund dieser beiden Begriffe – Virtuosität und Systematik – sollen neue, innovative Einblicke und Interpretationen der bisher wenig bekannten Daten und spärlich beachteten Werke angeboten werden, um Zelenkas Ruf als Virtuose – und damit sein Leben, seine Netzwerke und sein Œuvre in ihrer Gesamtheit – zu verstehen.
Dr. Esma Cerkovnik