Mit dem Gambisten Antoine Forqueray (1671/2–1745) erscheint um 1700 eine Persönlichkeit im Pariser Musikleben, die ebenso berühmt wie berüchtigt wird. Forqueray ist der Sohn eines Pariser Tanzmeisters, und seine Karriere verläuft steil: Schon als Knabe spielt er vor dem König und erhält daraufhin eine Erziehung am Hof. Bereits mit 17 wird er Ordinaire de la Chambre du Roy pour la viole. Später ist er auch am Hof des Herzogs von Orléans angestellt und wird ein begehrter Gambenlehrer.
Allerdings liegen dunkle Schatten über Forquerays Leben: Es wird bekannt, dass er seine Frau und Kinder misshandelt und sie darben lässt, während er selbst einen ungezügelten Lebensstil pflegt. Den Sohn Jean-Baptiste (1699–1782) bringt er für einige Zeit ins Gefängnis mit der Anklage, dieser verbringe seine Zeit mit dem Glücksspiel und mit leichten Mädchen, und er stehle in Häusern, zu denen ihm seine Kunst als Musiker Zugang verschaffe. Später erreicht der Vater sogar, dass Jean-Baptiste aus Frankreich verbannt wird; einflussreiche Freunde bewirken jedoch, dass das Urteil wieder aufgehoben wird.
Was es mit den Vorwürfen des Vaters auf sich hatte, ist nicht genau bekannt; höchstwahrscheinlich fürchtet Antoine jedoch schlicht und einfach die Konkurrenz seines Sohnes Jean-Baptiste; dieser ist ebenfalls ein virtuoser Gambenspieler und droht den Vater in den Schatten zu stellen. Die allerschwierigsten Stücke bereiten ihm angeblich keine Mühe; er spiele sie mit jener Leichtigkeit, die einen grossen Spieler ausmache – so ein Zeitgenosse.
Nach Vater Antoines Tod 1745 geschieht nun Erstaunliches: Sohn Jean-Baptiste rächt sich nicht etwa für die frühere brutale Behandlung, indem er die Musik des Vaters fortan ignoriert – im Gegenteil: Er veröffentlicht 29 Kompositionen von Antoine (plus drei eigene Stücke) in der originalen Version für Gambe und Continuo als Pièces de viole avec la Basse Continuë, composées par Mr Forqueray le Père, gravées par Mme Leclair (Paris 1747). Und nicht nur das: Jean-Baptiste arrangiert und veröffentlicht die gleichen Stücke auch noch in einer Version für Cembalo solo: Pièces de viole, composées par Mr Forqueray le Père, mises en Pièces de clavecin par Mr Forqueray le fils (Paris 1747).
Von vermutlich mehreren hundert Kompositionen – und abgesehen von einigen wenigen anderen Stücken – sind dies die einzigen Werke des Vaters, die überlebt haben, denn dieser veröffentlichte selbst nichts – wohl um sein Repertoire ganz für sich allein zu behalten. In seine Publikationen schloss Jean-Baptiste auch, wie erwähnt, drei eigene Stücke mit ein, und sie unterscheiden sich von denen des Vaters kaum. So scheint es fraglich, ob die publizierten Versionen wirklich noch die originalen Kompositionen des Vaters sind oder schon einen neueren Geschmack widerspiegeln. Jean-Baptiste gibt jedenfalls zu, dass er die Bassstimme sowohl der Gamben- wie der Cembaloversionen bearbeitet habe.
So oder so zeugen die beiden Publikationen von einer erstaunlichen Sohnesliebe, und diese hat für die Nachwelt einige der grössten Werke der französischen Instrumentalmusik gerettet. Die fünf Suiten enthalten jeweils fünf bis acht Sätze, die im Titel alle auf ein Sujet oder Thema verweisen, auffällig oft auf musikalische. So erscheinen prominente Kollegen wie Leclair, Couperin oder Rameau, aber auch heute unbekannte Musiker (La Bellemont, La Guignon), einflussreiche Persönlichkeiten wie der Anwalt Martin Bourron (La Bourron) oder der Schwager Pierre Buisson (La Buisson), weiter auch Orte (Montigny bei Versailles) und Länder (Portugal) sowie mit La Sylva und Jupiter zwei mythologische Figuren – ein buntes Mosaik des französischen Spätbarocks.