17.30h Französische Kirche,
Tafelmusik und Apéro
Georg Philipp Telemann: Musique de Table 3ième Production
Zürcher Barockorchester
Das Zürcher Barockorchester beendet bei diesem Festival seine integrale Aufführung der Musique de Table von Georg Philipp Telemann (1681–1767), und Thomas Meyer steuert dazu den dritten Teil seines Telemann-Porträts bei. – Der Werkzyklus wird in zwei Teilen aufgeführt, mit einem Apéro dazwischen. Dauer ca. 2 Std. 30 Min.

Georg Philipp Telemann (1681–1767)
- Ouverture & Suite B-Dur, TWV 55:B1
für zwei Oboen, Streichinstrumente und Continuo
Ouverture: Lentement – Presto – Lentement • Bergerie: Un peu vivement • Allegresse: vite • Postillons • Flaterie • Badinage: très vite • Menuet - Quatuor e-Moll, TWV 43:e2
für Flöte, Violine, Violoncello und Continuo
Adagio • Allegro • Dolce • Allegro
— Pause —
- Concerto Es-Dur, TWV 54:Es1
für zwei Hörner, Streichinstrumente und Continuo
Maestoso • Allegro • Grave • Vivace - Trio D-Dur, TWV 42:D5
für zwei Flöten und Continuo
Andante • Allegro • Grave – Largo – Grave • Vivace - Solo: Sonata g-Moll, TWV 41:g6
für Oboe und Continuo
Largo • Presto – Tempo giusto – Presto • Andante • Allegro - Conclusion: Sinfonia B-Dur, TWV 50:B10
für zwei Oboen, Streichinstrumente und Continuo
Furioso
Zürcher Barockorchester
Monika Baer und Renate SteinmannPatricia Do und Salome Zimmermann
Susanna Hefti
Martin Zeller
Markus Bernhard
Thomas Leininger
Claire Genewein und Rebekka Brunner
Philipp Wagner und Linda Alijaj
Mischa Greull und Lionel Pointet
zuercherbarockorchester.ch
Musique de Table: Vermischter Geschmack
Was wir lieben, wollen wir bewahren, und verbinden es deshalb, wenn es zu entschwinden droht, mit dem Neuen. Solche Assimilation bewegte zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine ganze Generation von Musiker*innen – die Franzosen vor allem, die bemerkten, dass der Siegeszug des Italienischen unaufhaltsam war. Etwas früher schon machten sich junge Deutsche um einen «vermischten Geschmack» verdient, der Elemente der Nationen verband oder zumindest nebeneinander bestehen liess. Wahrscheinlich waren sie weniger national geprägt als vielmehr sensibilisiert durch die kleinstaatlichen Fürstentümer und ihre unterschiedlichen Ausrichtungen.
Unter ihnen an erster Stelle: Georg Philipp Telemann, der sich noch 1717 in einem Brief an Johann Mattheson als grand partisan de la musique française bezeichnete. Schon auf dem Gymnasium hatte er Gelegenheit, dort die frantzösische Schreibart, und hier die theatralische; bei beyden aber überhaupt die italiänische näher kennen und unterscheiden zu lernen; dieses Unterscheidenkönnen galt als Zeugnis von Kennerschaft. In Sorau eignete er sich später auch die polnische und hanakische Musik, in ihrer wahren barbarischen Schönheit an.
Mit der Zeit war aber auch Telemann veranlasst, wenn auch nicht gezwungen (dafür war er zu vernunftbegabt), eine Vermischung anzustreben. Was er in den Stylis von Music gethan, ist überall zur Gnüge bekannt. Erst war es der Polnische, dem folgte der Frantzösische Kirchen- Kammer- und Opern-Stylus und was sich nach dem Italiaenischen nennet, mit welchem er denn das mehreste zu thun gehabt, so schreibt das Kurtzgefasste Musicalische Lexikon aus Chemnitz 1737. Da war diese Entwicklung schon abgeschlossen.
In eben jenem Jahr durfte Telemann meine längst-abgezielte Reise nach Paris antreten, wohin ich schon von verschiedenen Jahren her, durch einige der dortigen Virtuosen, die an etlichen meiner gedruckten Wercke Geschmack gefunden hatten, war eingeladen worden. Acht Monate blieb er und genoss den Aufenthalt in vollen Zügen. Seine dreiteilige Musique de Table, übrigens auch von Mr. Hendel, Docteur en musique, Londres subskribiert, kopiert und mit einigen seltenen Blumen verdankt, war den Musikern in Paris bekannt. Von den über zweihundert Subskribent*innen finden sich nach Hamburg dort die meisten, und seine Nouveaux Quatuors sollten ein noch grösserer Erfolg werden.
Eine Musik zur Tafel wie etwa die Simphonies pour le Souper du Roy von Michel Richard de Lalande war das kaum mehr, sondern Kammermusik im vorklassischen Sinn. Zum genauen Spielen und einander Zuhören, dann vielleicht auch noch fürs Konzert. Ans Tafeln erinnerte dabei allenfalls noch die durchdachte Menuabfolge Ouvertüre, Quartett, Concerto, Trio, Sonata und Conclusion im ungewöhnlichen, aber sehr bekömmlichen Wechsel von Orchester- und Kammermusik in unterschiedlicher Besetzung: les instrumens se diversifient par tout.
Jede der Trois Productions, von denen in diesem Konzert die dritte erklingt, zeigt andere Facetten dieser Formen- und Farbenvielfalt. Ist die erste noch deutlich französischer geprägt und die zweite eher italienisch (die Violinen dominieren gegenüber den Flöten), so treten diesmal neue Elemente auf: Das Trio ist von ungemeiner Eleganz, kantabel und galant, wie es die neue Epoche verlangte. Im Concerto spielen zwei solistische Geigen neben Jagdhörnern: Trombe selvatiche, die eine neue Couleur reinbringen, ähnlich wie in den Concerti a più instrumenti, die man bei der sächsischen Hofkapelle in Dresden pflegte. Am Dresdner Glanz mag sich Telemann hier überhaupt ein wenig orientiert haben. Was den vermischten Geschmack angeht, so ist in der Musique de Table bemerkenswert, wie sich die Ebenen überlagern, wie sich etwa eine französische Besetzung mit deutscher Kontrapunktik verbindet. Das geschieht mit unglaublichem Raffinement, das unseren heutigen, von grobem Crossover nicht gerade verwöhnten Ohren teilweise entgehen mag. Diß Werk, so schrieb der gern reimende Hamburger Musikdirektor an einen Freund in Riga, wird hoffentlich mir einst zum Ruhm gedeien, / Du aber wirst den Wehrt zu keiner Zeit bereuen … Wir auch nicht.
Thomas Meyer