Sa 16.03.

17.00h Lavatersaal, vis-à-vis Kirche St. Peter
Türöffnung 16.30h. Reservation empfohlen

Zu Gast im Zimmermannschen Caffée-Haus (II)

Virtuelles Caffée Zimmermann

Kompositionen, Improvisationen, Projektionen

Aleksandra und Alexander Grychtolik Cembalo

*Julian Behr Laute


grychtolik.com


Antonio Vivaldi (1678–1741)

  • Ottone in Villa: Sinfonia

Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788)

  • Freye Fantasie fürs Clavier fis-Moll Wq. 67

Johann Sebastian Bach (1685–1750)

  • Cembalokonzert F-Dur BWV 1057
    Leipziger Fassung 1738 des 4. Brandenburgischen Konzerts

Sylvius Leopold Weiss (1686–1750)

  • Sonata Nr. 49 B-Dur *
    Allemande – Courante – Sarabande: Grave – Menuet – Presto

— Pause —

Johann Sebastian Bach / Arr. Julian Behr

  • Sonata g-Moll BWV 1001 (für Violine solo) *
    Adagio – Fuga (BWV 1000) – Siciliano – Presto

Antonio Bertali (1605–1669)

  • Ciaccona

Alexander Grychtolik

  • Improvisation: Präludium und Fuge

Aleksandra Grychtolik / Alexander Grychtolik

  • Concerto-Improvisation für zwei Cembali

Das Konzert von Aleksandra und Alexander Grychtolik bietet sowohl musikalisch wie auch ganz wörtlich Einblick in einen eher spärlich thematisierten Aspekt von Bachs Leben: seine Tätigkeit als Leiter des Leipziger Collegium Musicum.
Zu Projektionen mit rekonstruierten Ansichten der Räume des Zimmermannschen Caffée-Hauses widerspiegelt das Konzert mit Kompositionen und Improvisationen den Charakter eines damaligen Konzerts. Dass dieses mit einer Komposition von Antonio Vivaldi eröffnet wird, ist kein Zufall: Bach setzte bei den Kaffeehaus-Konzerten nebst eigenen auch «fremde» Kompositionen auf das Programm, er war ja auch ein grosser Bewunderer der Musik von Antonio Vivaldi, die er verschiedentlich bearbeitete.
Ebenfalls eine Bearbeitung ist das Cembalokonzert F-Dur, und zwar des 4. Brandenburgischen Konzerts. Natürlich musste vor allem die Solo-Violinstimme zu einer Cembalostimme umgearbeitet werden, darüber hinaus reicherte Bach auch dessen Bassstimme mit Verzierungen noch weiter an. Die Stimmen des Ensembles blieben dagegen grösstenteils unverändert. Im Konzert müssen die Ensemblestimmen nun vom zweiten Cembalo übernommen werden – aber auch das war schon für Bach selbst nichts Ungewöhnliches, arbeitete er doch Konzerte Vivaldis (nebst anderen) zu einer Fassung für Cembalo solo um ….
Da Bach selbst ein begnadeter Improvisator war, wird im Konzert auch der Aspekt der Improvisation nicht fehlen: Nach der halb-improvisatorischen Ciaccona von Antonio Bertali begibt sich Alexander Grychtolik zuerst solo, dann mit seiner Partnerin Aleksandra Grychtolik auf dieses Feld. – Was sind dafür die Voraussetzungen?
Aleksandra Grychtolik: Zunächst einmal gibt es viele überlieferte Lehrwerke zur Improvisation. C.Ph.E. Bach schreibt etwa, dass auch freies «Fantasieren» trotz der improvisatorischen Natur auf einem klaren Gerüst aufbauen müsse.
Alexander Grychtolik: Ich vergleiche das Erlernen der Improvisation gern mit dem einer Fremdsprache: Man eignet sich zunächst einzelne Worte und Wortgruppen an, z.B. musikalische Figuren und harmonische Abläufe. Mit der Zeit verinnerlicht man diesen stetig wachsenden musikalischen «Wortschatz» und kann in jeder Situation auf die passende Formulierung zurückgreifen. Dazu kommt die intensive Beschäftigung mit Kompositionen aus jener Zeit: in eine solche Komposition hinzutauchen, ist dann wie ein «Sprachurlaub» im Ausland …
(Vollständiger Text in der CD fantasia baroque. Coviello Classics).
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Kürzlich, so schreibt Bachs zeitweiliger Sekretär Johann Elias Bach 1739 an einen Bekannten, habe man im Bachschen Haushalt etwas extra feines von Music zu hören bekommen, indem sich mein Herr Vetter von Dresden [Wilhelm Friedemann], der über 4 Wochen hier zugegen gewesen, nebst den beyden berühmten Lautenisten, Herrn Weisen u. Herrn Kropffgans etliche mal bey uns haben hören lassen.
Silvius Leopold Weiss (1687–1750) gilt als der renommierteste Lautenist seiner Zeit und auch als der bestbezahlte. Tätig war er wie sein Schüler Johann Kropffgans hauptsächlich in Dresden. Geboren im damaligen Böhmen, von seinem Vater ausgebildet, in Breslau und Düsseldorf angestellt, zwischendurch sich längere Zeit in Rom aufhaltend, wird Weiss 1718 als königlicher Kammerlautenist an den Dresdener Hof Augusts des Starken engagiert. Hier bleibt er bis zu seinem Lebensende. Johann Mattheson bezeichnet ihn 1727 als den vielleicht grössten Lautenisten in der Welt; und Weiss kann es sich leisten, eine Stellung am Wiener Hof – zum doppelten Jahresgehalt! – auszuschlagen. Allerdings hätte seine Karriere 1722 fast ein vorzeitiges Ende gefunden: Bei einem Streit beisst ein französischer Geiger dem Lautenisten in den Daumen …
Weiss lässt zu Lebzeiten von seiner Musik praktisch nichts drucken – die einzige Ausnahme ist das Presto der im Konzert zu hörenden Sonata Nr. 49. Weiss schickt den Satz vermutlich selbst an G.Ph. Telemann, der ihn in seinem Periodicum Der getreue Musikmeister 1728 veröffentlicht. Es ist unklar, aus welchen Gründen Weiss sonst nichts veröffentlicht – ob aus eigenem Willen, weil der Komponist seine Werke als Ausdruck seines persönlichen Könnens betrachtet, oder ob unter Zwang, weil der Kurfürst die Musik seines teuren Kammermusikers für sich allein haben will. So findet sich über die Hälfte von Weiss’ Musik heute (nur) in zwei grossen Sammlungen mit Abschriften – die eine Sammlung in der British Library, die andere in der Sächsischen Staatsbibliothek. Leider wurde die Dresdner Sammlung im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt.
Diese beiden Sammlungen enthalten die Mehrzahl der rund 50 Lauten-Suiten (Weiss nennt sie Sonata), die heute sein (erhaltenes) Werk von rund 600 Einzelstücken ausmachen; seine Musik für Instrumentalensembles hat nur fragmentarisch überlebt. Die Lauten-Suiten enthalten die üblichen vier barocken Stammsätze Allemande – Courante – Sarabande – Gigue. Sie werden mit weiteren Sätzen meist bis auf sechs oder sieben erweitert, ausserdem war nach französischer Praxis wohl ein Prélude zu improvisieren.
Während Silvius Leopold Weiss also fast nur Werke für Laute solo komponierte, scheint kaum eines von Johann Sebastian Bachs (1685–1750) überlieferten Werken eine Originalkomposition für Laute zu sein. Eine Ausnahme ist möglicherweise das Praelude in C mol. Pour La Lute, BWV 999.
Bachs Hauptwerke für Laute sind die vier Suiten BWV 995–997 sowie 1006a. Sie sind im Original aber wohl für das «Lautenwerk», eine Spezialform des Cembalos mit Darmsaiten, gedacht, oder es sind Transkriptionen anderer Werke. So ist etwa die Suite BWV 995 eine Transkription der Cello-Suite Nr. 5, deren Bearbeitung von Bach selbst stammt. Das Autograph trägt die Widmung Pièces pour la Lute à Monsieur Schouster; gemeint ist vermutlich der Leipziger Verleger Jacob Schuster.
Die im Konzert zu hörende Sonate in g-Moll ist eine Transkription der Violinsonate Nr. 1 BWV 1001, die Julian Behr selbst vorgenommen hat. Dies bietet sich umso mehr an, als vom zweiten Satz Fuga BWV 1000, unabhängig davon, bereits in Tabulatur eine Lautenfassung von J.Chr. Weyrauch existiert, die mit Fuga del Signore Bach betitelt ist.